Dinslakener Geschichte: 1310


Mechthild von Virneburg residierte von 1310 bis 1338 auf der Dinslakener Burg und verwaltete ihren Besitz.
Als in Dinslaken die erste Frau herrschte

Birgit Gargitter, NRZ 19.02.2023

Mechthild von Virneburg residierte von 1310 bis 1338 auf der Dinslakener Burg und verwaltete ihren Besitz. Eine bedeutende Frauengestalt.

… Bereits im frühen 14. Jahrhundert war mit Mechthild von Virneburg, der jungen Witwe Ottos von Kleve, eine Frau auf die Burg gezogen, die zu einer bedeutenden Frauengestalt Dinslakens werden sollte. Von 1310 bis 1338 verwaltete sie das Land Dinslaken mit seinen umfangreichen Ländereien, Gerichten, Höfen, Gärten und Menschen. Unter ihr wurde das Land Dinslaken erstmals als eine Einheit gesehen.

Dinslaken wird Witwensitz

Es stelle einen Glücksfall dar, dass eine mittelalterliche Urkunde die Nachricht überliefert, dass im Herbst 1310 Mechthild von Virneburg als junge Frau die Herrschaft in Stadt und Land Dinslaken übernimmt und sie fast 30 Jahre ausübt, erläutert Gisela Marzin, die als frühere Stadtarchivarin über die Lebensgeschichte der Mechthild von Virneburg recherchiert hat. Mechthild entstammt einer damals nicht unbedeutenden Adelsfamilie aus der Eifel. Dorf und namensgebende Burg liegen in der Nähe der Stadt Mayen. Politisch verbandelt waren die Grafen von Virneburg mit den jeweiligen Kölner Erzbischöfen, die wiederum versuchten, Macht und Einfluss am Niederrhein zu erlangen – vor allem über die Grafschaft Kleve, zu der Dinslaken gehörte. „So liegt Mechthilds Werdegang und Schicksal im Fadenkreuz der machtpolitischen Interessen dreier Männer“, berichtet Gisela Marzin: „Ihres Bräutigams Otto von Kleve, ihres Onkels Heinrich von Virneburg, Erzbischof zu Köln, und des Klever Grafen Dietrich IX.“

Mechthilds Geburtsjahr ist anzusetzen zwischen 1291 und 1296. Sie ist die Tochter Roberts oder Ruperts von Virneburg (1270 bis 1308) und seiner Frau Kunigunde. Am 1. August 1308 heiratet Mechthild den 1287 geborenen Grafen Otto von Kleve. Sie muss damals zwischen zwölf und 17 Jahre alt gewesen sein. Die Ehe der beiden währte nur zwei Jahre lang, denn bereits 1310 starb Otto. Sein einziges Kind, geboren 1311, hat er nicht mehr gesehen. Leider – für die damalige Zeit – ein Mädchen, denn für einen Sohn hätte Mechthild die Regentschaft in Kleve bis zu seiner Volljährigkeit antreten können.

So aber bleibt der jungen Frau nur der Witwensitz in Dinslaken. Regent in Kleve hingegen wird Ottos Stiefbruder Dietrich IX. In Urkunden aus jener Zeit nennt sich Mechthild „vrouwe van Dynslaken“. Ihr untersteht ein ganzer Hofstaat mit Amtsleuten, Torleuten, Pförtnern, Wächtern und allen, die die Burg zu hüten und wahren hatten, so der Bericht in einer Urkunde. Ihr Siegel (das einzige überlieferte) zeigt die klevische Lilienhaspel, bedeckt mit einem kleinen Schild aus sieben roten und goldenen Rauten, dem Virneburger Wappen.

 

Auf der Burg Altena befindet sich das einzige Bildnis, das Mechthild von Virneburg mit ihrem Gemahl Otto von Kleve zeigt. Foto: Birgit Gargitter

Da Mechthild eine eigene Herrschaft anstrebte, war ihr eine zweite Ehe verwehrt. Sie verwaltete ihr Gebiet, vergrößerte es und verfügte über die Erträge. „Ist es nur ein Zufall, dass während ihrer Zeit der Herrschaft in Dinslaken 1321 eine Schule gegründet wurde?“, fragt sich Gisela Marzin. Ungewiss ist auch, ob Mechthild die Pfarrkiche in Hiesfeld gefördert hat. Urkundlich belegt ist davon nichts.

Ein Verzeichnis von 1325 umreißt allerdings die Ausdehnung ihres Besitzes: das Gericht zu Bottrop und zu Osterfeld, mit den dazugehörigen Menschen, den Hof zu Dorsten und zu „Vagedinc“ mit dem Zubehör, ferner Eppinghoven und die Gerichte Gahlen und Hamborn mit den dazugehörigen Leuten, außerdem Gerichte und Güter aus der anderen Seite des Dinslakener Waldes.

Ränkespiele um den Besitz

Doch Ränkespiele und Querelen waren auch damals an der Tagesordnung und machten vor Mechthild nicht Halt. Sie und somit Dinslaken als begehrtes Objekt gerieten zwischen die Mühlräder der Grafschaft Kleve und des Erzbischofs von Köln. Mechthild wandte sich ihrem Onkel Heinrich zu, doch dessen Ränkespiel, sich die Grafschaft Kleve einzuheimsen, ging letztendlich nicht auf. So verlor auch Mechthild Besitztümer an den verhassten Dietrich von Kleve.

Dennoch blieb Mechthild eine begüterte Frau, zumal ihr doch noch ein Sieg gelang, als sie sich Dietrichs Bruder Johann, Domdechant zu Köln, anschloss. Mechthild wird dabei in ihren Witwenrechten bestärkt, die Lehnsbindung Kleves an Köln wird bestätigt, allerdings soll die Leibzucht und Morgengabe nach ihrem Tod wieder an den Grafen von Kleve fallen.

„Durch den frühen Tod Ottos war Mechthild gezwungen, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. Zwar ist sie im Spiel um die Macht zwischen Kleve und Köln zerrieben worden, dennoch hat sie fast 30 Jahre lang das Land Dinslaken verwaltet – eine außergewöhnliche Leistung für eine Frau ihrer Zeit“, bemerkt Gisela Marzin.

Info: 22 Jahre im Kloster

Im Alter zwischen 40 und 50 Jahren gab Mechthild von Virneburg auf, ihren Besitz selbst zu verwalten. Für eine jährliche Rente trat sie Dinslaken mit allen Rechten und Pflichten an Johann von Kleve ab. Mechthild lebte noch 22 Jahre im Kloster Oberndorf bei Wesel und starb dort als hochbetagte Frau am 25. April 1360. Ihre Grabstätte jedoch ist unbekannt.