Dinslakener Geschichte 1434


Kloster Marienkamp
 

Man glaubt es heute kaum, wenn man durch das Kaufhaus an Wall- und Friedrich-Ebert-Straße streift, seinen Wagen auf dem hinteren Parkplatz abstellt, im China-Restaurant zu Abend speist oder Bankgeschäfte erledigt - aber genau dort war einst geweihter Boden. Das Kloster Marienkamp mit allen Gebäuden, die zu einer mittelalterlichen Klosteranlage gehören: Kapelle, den so genannten Bauhof mit Ställen, Brauhaus, Schwesterkammern, ein Gang mit dem Wohnhaus des Priesters und der Priorin, im hinteren Teil Bleiche, Waschhaus und Gärten. Umgeben war das ganze Gelände von hohen Mauern und teilweise den Ableitungen des Rotbachs. Heute erinnert eine Tafel auf dem Parkplatz an die abwechslungsreiche Geschichte der Nonnen. Und vielleicht wäre das ganze Kloster in Vergessenheit geraten, hätten es nicht die Historikerinnen des Frauengeschichtskreises wieder zum Leben erweckt.

Die Augustinerinnen werden erstmals am 3. Januar 1433 nachweislich erwähnt, eine alte Handschrift aus dem 15. Jh. hingegen nennt als Gründungsdatum der Schwesterngenossenschaft Marienkamp das Jahr 1434. Wie auch immer: Sie werden wohl anfangs in die leerstehenden Gebäude des Johanniterordens gezogen sein. Dieser hatte sich nämlich eine Zeitlang in Dinslaken niedergelassen. Kreuzzüge nach Jerusalem waren out, also kümmerte sich der einstige Kriegerorden nun um seinen eigentlichen Auftrag: die Pflege der Kranken. Vermutlich im Hospital, dem Gasthaus auf der heutigen Duisburger Straße.

Warum die Ordensritter ihren Konvent in Dinslaken aufgegeben haben, darüber ist in den Annalen der Stadt nichts zu finden. Fest steht aber, dass die Nonnen über Jahrhunderte in unserer Stadt verweilten, genau bis 1808. Unterstützt wurde das Kloster zu früherer Zeit von Maria von Burgund und anderen hochwohlgeborenen Edelleuten. So soll auch eine „Bastardin", eine uneheliche Tochter eines Grafen von Kleve in Marienkamp gelebt haben.

Zur Reformbewegung „Devotio Moderna" gehörten die Augustinerinnen, d. h. über die übliche Seelsorge und geistlichen Studien hinaus strebten die Frauen eine Verbindung zur Außenwelt an. Sie hielten Andachten und Bibellesungen in deutscher Sprache ab, kümmerten sich um die Pflege der Gasthauskranken und -armen und waren verantwortlich für den Wirtschaftsbetrieb Kloster. Es wurden Kräuter und Gemüse angebaut, es gab einen Fischteich, eine Bienenzucht und sogar ein Schlachthaus. Über den Begriff Armut kann man sich streiten: Ging es den Nonnen nun gut oder nicht? Bei der Größe der Anlage ist anzunehmen, dass das Kloster gute Zeiten gesehen hat, in finanzieller Hinsicht zumindest. Der ganze Platz zwischen Wall- und Klosterstraße, Friedrich-Ebert- und Lessingstraße gehörte einst zum Kloster.

Denn immerhin wohnten in der Blütezeit zu Anfang rund 50 Nonnen dort, darunter eben Adelige, Bürgerinnen, aber auch Frauen aus den umliegenden Dörfern. Nicht nur im Gasthaus (Hospital) arbeiteten die Frauen. Von einer der Nonnen wird berichtet, dass sie im Melatenhaus (Siechenhaus) vor den Toren der Stadt die Kranken pflegte und sich dort angesteckt hatte und verstarb. Ihr Sterbejahr 1584 fällt mit der großen Pest-Epidemie zusammen und so wird sie wohl an dieser Krankheit gestorben sein. Eine andere Laienschwester namens Agnes Spandick kam zu „Ruhm", weil sie 1784 wegen Trunksucht entlassen wurde und über die Klosterdächer floh, da sie befürchten musste ins Gefängnis zu kommen. Nun, es waren halt andere Zeiten.

„Wer möchte jemals bei solch rebellischen Jungfrauen gern verweilen?" Der Prior des Neusser Klosters beklagte sich 1571 in einem Brief bitterlich über die Widerspenstigkeit und den unbeugsamen Starrsinn der Nonnen vom Kloster Marienkamp. Überhaupt hatten sie des öfteren etwas zu meckern, die Herren Aufsichtsbeamten der Kirche, wenn sie das Dinslakener Kloster besuchten. Das schien jedoch die Augustinerinnen nicht wirklich zu stören.

Gegen Ende des 17. Jh. verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage des Klosters. Und 1808 schließlich musste das Kloster aufgegeben werden. Das Gelände ging 1810 im Wege der Versteigerung auf Dietrich Jungmann und Bernward Lehmkuhl über. Das Kirchengebäude verkauften sie später an die jüdische Gemeinde weiter, die diese instand setzten und zur Synagoge umbauten. Die Juden benutzten sie bis zur Zerstörung im Jahre 1938.

vgl. auch Birgit Gargitter, NRZ 05.10.2007

 

Kirche des Klosters Marienkamp, später Synagoge

VERGESSENE ORTE

Das Kloster mitten in der Dinslakener Innenstadt

Birgit Gargitter, NRZ 29.12.2017

An der Klosterstraße stand über vierhundert Jahre lang das Kloster Marienkamp, geführt von recht aufmüpfigen Augustinnerinnen.

Mit der Zeit vergessen, von der Natur überwuchert oder wie in diesem Falle von der Neuzeit überdeckt – Orte der Vergangenheit. Man glaubt es heute kaum, geht man über den Parkplatz hinter dem neuen Penny-Markt zu seinem Auto, dass dort einst fast 400 Jahre lang ein Kloster gestanden hat, dass sich von dort aus Augustinerinnen um Kranke und Arme im nahe gelegenen Gasthaus gekümmert haben.

Allein der Straßenname „Klosterstraße“ wies in all den Jahren auf ein Anwesen dieser Art hin: Auf das Kloster Marienkamp mit allen Gebäuden, die zu einer mittelalterlichen Klosteranlage gehörten, eine Kapelle, den so genannten Bauhof mit Ställen, das Brauhaus, die Schwesternkammern, die Wohnhäuser des Priesters und der Priorin, im hinteren Teil die Bleich, das Waschhaus und die Gärten. Umgeben war das Klostergelände wohl von einer hohen Mauer und teilweise den Ableitungen des Rotbaches. Die Anlage füllte im Laufe der Jahre die gesamte Fläche zwischen der heutigen Kloster-, Friedrich-Ebert- und Wallstraße. Heute erinnert eine Tafel inmitten des Parkplatzes an die abwechslungsreiche Geschichte des Klosters über vier Jahrhunderte hin.

 

Die Klosteranlage Marienkamp, zwischen der heutigen Kloster-, Wall- und Friedrich-Ebert-Straße gelegen. bot 60 Nonnen Platz.

Foto: Stadtarchiv Dinslaken

Erstmals werden die Nonnen im Jahr 1433 erwähnt

Erstmals erwähnt werden die Nonnen am 3. Januar 1433, eine andere alte Handschrift datiert das Gründungsdatum der Schwesternschaft Marienkamp allerdings auf 1434. Doch wie auch immer – angenommen wird, dass sich die Frauen in einem viel älteren Gebäude aus dem Jahr 1349, dem Johanniterkloster niederließen. Der Orden der Johanniter betreute bereits das Gasthaus, eine Art Hospital, auf der Duisburger Straße. Nach ihrem Fortzug kümmerten sich die Schwestern um die Armen und Kranken. Wann genau die Johanniter die Stadt verließen und vor allem warum, darüber gibt es in Dinslakens Stadtarchiv keinerlei Belege.

Das Kloster bot Platz für 60 Nonnen

Wohl aber ist die Geschichte des Klosters über die Jahrhunderte weg bis zu seinem Niedergang 1808 in Zügen dokumentiert. Adelige Frauen, Bauernmädchen und Städterinnen verweilten in dem vom Dinslakener Arnold von Loesen gegründeten Kloster. Maria von Burgund, Witwe des Klever Herzogs Adolf, soll bis zu ihrem Tode 1463 das Kloster Marienkamp unterstützt haben. Man kann davon ausgehen, dass das Kloster zu jener Zeit nicht gerade klein gewesen ist. Immerhin bot es Platz für 60 Nonnen und wurde von verschiedenen Stellen mit reichlich Spenden bedacht. Zu den Bewohnerinnen des Klosters soll auch eine so genannte „Bastardin“, eine uneheliche Tochter Herzog Johann II. von Kleve, Elisabeth van Cleve (Cleyff) gehört haben, die übrigens all ihre Briefe selbstbewusst mit „Bastardin“ unterschrieb.

 

Aufsichtsbeamte in die Flucht geschlagen

Überhaupt sollen die Nonnen von Marienkamp recht selbstbewusste Frauen gewesen sein, die regelmäßig ihre Beichtväter und Aufsichtsbeamten in die Flucht geschlagen haben. „Wer möchte jemals bei solch rebellischen Jungfrauen gern verweilen“, beklagte sich der Prior des Neusser Klosters 1571 in einem Brief bitterlich über die Widerspenstigkeit der Nonnen von Kloster Marienkamp.

Die zur Reformbewegung „Devotio Moderna“ gehörenden Augustinerinnen strebten über die übliche Seelsorge und geistliche Studien hinaus eine Verbindung zur Außenwelt an. Sie hielten Andachten und Bibellesungen in deutscher Sprache ab, kümmerten sich um die Pflege der Gasthauskranken und –armen und waren verantwortlich für den Wirtschaftsbetrieb des Klosters, zu dem auch Besitztümer im Land Dinslaken gehörten. Am Kloster selbst wurden Gärten angelegt, Kräuter und Gemüse angebaut, es gab einen Fischteich, eine Bienenzucht und sogar ein Schlachthaus. Und wie das Brauhaus nahe legt, durften die Schwestern ihr eigenes Bier brauen. Kein Wunder also, dass sie sich recht widerspenstig gaben und zu mancher Zeit das Kloster bei den Oberen in Verruf geriet. Nicht so bei den Dinslakenern.

Sie kümmerten sich um Pestkranke und Aussätzige

Von den Nonnen wird nämlich auch berichtet, dass sie sich um die Aussätzigen und Pestkranken im Melatenhaus am Rande der Stadt kümmerten, dass eine der Schwestern sich sogar während der großen Pest-Epidemie 1584 ansteckte und verstarb. Eine andere Laienschwester, Agnes Spandick, hingegen brachte es zu einem etwas anderem Ruhm: Sie war einem oder mehreren Gläschen Alkohol nicht abgeneigt, wurde 1784 gar wegen Trunksucht aus dem Kloster entlassen und floh über die Kirchendächer, da sie befürchten musste, wegen ihrer Trunksucht ins Gefängnis zu kommen.

1907 wurde die Aufgabe des Klosters beantragt

Doch schon lange vor dieser Geschichte war das Kloster im Niedergang begriffen. Die Umstände jener Zeiten mit all ihren Kriegen, den Plünderungen, den Verlusten der Güter führten unabänderlich zum Ruin des Klosters. Die Klostergebäude waren in einem baufälligen Zustand und der Einsturz einiger Gebäude wurde befürchtet. Die Dächer waren verfault und bei starkem Regen standen wohl die Räume voller Wasser. Kredite waren nicht zu bekommen und so wurde 1807 die Aufgabe des Klosters beantragt. Fünf Nonnen lebten zu jener Zeit samt Rektor noch dort, ihre Namen sind bis heute bekannt. Am 20. September 1810 kauften die Bürger Dietrich Jungmann und der Postillon Bernhard Lehmkuhl den Klosterbesitz auf und verkauften ihn ihrerseits im Oktober 1810 an die jüdische Gemeinde zu Dinslaken. Die Gemeinde errichtete aus der Kirche eine Synagoge und nutzte auch die anderen Gebäude – bis zur Reichspogromnacht 1938.