Dinslakener Geschichte 1650


Die älteste Stadtansicht: Dinslaken um 1650
 

Der Kupferstich von „Dynslaken“, mit dem hohen Burgturm, der Gasthauskapelle, St, Vincentius und dem Walsumer Tor aus der Sammlung Roben Angerhausen im Museum Kurhaus Kleve. Die Dinslakener nennen dieses Bild wegen der bäuerlichen Szene im Vordergrund „Schweinchenstich“.

Nach Willi Dittgen im Heimatkalender Kreis Dinslaken 1950

Alte Urkunden mögen dem kundigen Forscher mancherlei berichten aus vergangenen Zeiten, doch nur wenige Fachleute finden sich in diesen vergilbten Blättern zurecht und wissen die eigenartigen Schriftzeichen zu entziffern. Vieles bleibt dunkel, manches überwuchert die Phantasie und die Sage. Da bringt oft das Bild mit überraschender Anschaulichkeit die Klärung und offenbart die Wirklichkeit in vielen Einzelheiten, die Urkunden bisher verschwiegen haben. Ein schönes Beispiel ist dieses Bild vom alten Dinslaken, das um 1600 ein unbekannter Künstler zeichnete und das uns als älteste bildliche Darstellung der Stadt besonders wertvoll ist. Es handelt sich um einen Kupferstich in der Größe einer Postkarte. Das Bild wurde von Willi Dittgen im Jahre 1949 in der umfangreichen Sammlung des Notars Angerhausen in Rheinberg gefunden.

Lasst uns nun dem Zeichner über die Schulter schauen und sehen, welche Einzelheiten sein Stift auf dem Papier festgehalten hat. Wir befinden uns westlich der Stadt, ungefähr dort, wo heute das katholische Krankenhaus steht, und schauen über die Felder, die zum Brinkerkamp gehören, zum Rotbach hinunter. Hier befand sich auch das sogenannte kleine Bruch, "dat klyne Broichsgen büssen der Eppinghaven Portzen gelegen". Eben treibt ein Hirte, den Mantel über die Schulter gerollt, eine Schweineherde ins Averbruch. Vielleicht gehört sie auch zu dem großen Hof Bärenkamp, der damals im Besitz der Familie Ingenhoven war.

Weiter hinten fließt, von Baumreihen umsäumt, "die Beek", der Rotbach. Er zog in mehreren Armen durch und um Dinslaken und versorgte sämtliche Gräben der Stadtbefestigung mit Wasser. Ein Arm trieb die Wassermühle am Altmarkt; und wurde daher auch "Müllenbeek" genannt. Auf einer Karte des Jahres 1659 ist der Bach als "Churfürstl. Möhlenbach, der Leygrabe genannt", bezeichnet. Der Bach war außerordentlich fischreich und mancher alte Dinslakener wusste 1950 noch zu erzählen, wie er als Junge armlange Hechte hier gefangen hat.

Deutlich ist auf dem Bilde die Stadtmauer zu sehen, die damals noch den ganzen Ort umschloss und dem Bürger in Kriegszeiten Schutz vor Überfall und Plünderung gab. Heute sind noch Reste an der Grünanlage am Rotbach zu sehen. Damals war die Mauer etwa 3 m hoch und wurde in Abständen von 10 m durch breite äußere Strebepfeiler gestützt. Dinslaken bestand aus zwei Bezirken, der Altstadt und der Neustadt. Zu letzterer gehörten die Häuser, die zwischen der heutigen Hauptstraße und dem Neutor und zwischen Wallstraße und Rutenwall lagen. Sehr wahrscheinlich hatte nur die Altstadt einen festen Mauerring, während man sich zum Schutz der Neustadt mit Wassergräben und Pallisaden begnügte. Die Unterhaltung der Befestigungen war sehr kostspielig und die Einwohner mussten immer wieder zu Sonderabgaben für diesen Zweck herangeholt werden. Im. Jahre 1502 erlangte der Magistrat das Recht, eine Biersteuer zu erheben. Außer der gewöhnlichen Gruitabgabe, die in die herzogliche Kasse floss, sollte von jedem Fass ein Stüber entrichtet werden. Der Betrag wurde zum großen Teil für die Instandsetzung der Stadtbefestigung verwandt.

Und nun erreicht unser zum linken Bildrand schweifender Blick das damalige Wahrzeichen der Stadt, den hohen Schlossturm, der mit seiner Höhe von 40 m alle Gebäude und Kirchen Dinslakens Überragte und weit ins niederrheinische Land hinausschaute. Jetzt verstehen wir die bewundernden Äußerungen unserer Vorfahren. In drei mächtigen Geschossen, mit überdachten Wehrgängen reckte sich der Riese empor. Alle Reisenden, die von Dinslaken schrieben, berichteten über dieses Bauwerk. In einer Urkunde des Jahres 1539 wird noch von dem "gewaltigen Turm" gesprochen. Der Chronist der Herzöge von Kleve, Gert van der Schüren, weiß ebenfalls mit Nachdruck den Dinslakener Turm zu erwähnen, als er die Ruhmestaten des Herzogs Adolf I. von Kleve aufzählt, der von 1394 - 1448 regierte und sehr baulustig war. Der Chronist schreibt: "Dat trefflichkste wan werntlicker tymmeringen disselve. hertoghen Adolphs is geweist ... den herliken toern to Dynslaken."

Ein Blitzschlag soll den Turm um 1770 auseinander gerissen haben. Als man um 1820 auch die letzten Reste beseitigen wollte musste man den unteren Teil stehen lassen, "da man durchaus hätte Pulver brauchen müssen um die feste Masse ohne zu große Unkosten trennen zu können." So blieb denn der mächtige Quadersockel des Turmes stehen. Er bildet heute noch den wuchtigen Hintergrund unserer Freilichtbühne.

Am äußersten linken Bildrand entdecken wir schließlich. die Dächer und Treppengiebel der übrigen Gebäudlichkeiten des Schlosses. Der bereits erwähnte Herzog Adolf I. von Kleve hatte die Anlage weitgehend ausgebaut. Der Hauptbau ist wahrscheinlich kurz nach Entstehung dieses Bildes im Krieg der Spanier mit den Niederländern im Jahre 1629 niedergebrannt worden. Die Zerstörung, war zwar sehr gründlich, doch ließen sich die Gebäude wieder soweit herrichten, dass noch manches, Jahrzehnt der Rentmeister hier residieren konnte. Später ging "das Castel" in Privatbesitz (de Fries) über. Um die letzte Jahrhundertwende erwarb die Stadt Dinslaken das Schloss und stellte es im Jahre 1908 der neu aus der Taufe gehobenen Kreisverwaltung Dinslaken als Amtssitz zur Verfügung. Doch 24 Stunden nach dem Einzug des damaligen Landrats brannte das Gebäude restlos aus. Im gleichen Stil entstand sehr schnell ein neues Verwaltungsgebäude. Am unseligen 23. März 1945 wurde im Hagel der Bomben das Gebäude restlos zerstört. Nur der älteste Teil mit dem eckigen und dem runden Turm blieb in seinem Mauerwerk erhalten.

Doch damit wären wir bei der Betrachtung des alten Stadtbildes schon wieder in der Gegenwart angekommen. Das Bild von 1600 ist uns fremd geworden. Heute erscheinen uns die Stadtansichten von 1939 seltsam, da der Krieg vieles Markante aus dem Dinslakener Stadtbild hinweggefegt hatte. Wie so oft in der Geschichte, standen die Dinslakener vor einem neuen Anfang und begannen ein neues Stadtbild zu formen. Vieles mag dabei modern und großzügig sein. Bei jeder Planung aber sollen sie das pflegen und hüten, was an die Geschichte der Stadt erinnert und sich durch alle Fährnisse der Jahrhunderte in die Gegenwart hinübergerettet hat.


„Dynslaken“ erstmalig in Dinslaken

Bettina Schack, NRZ 30.10.2017

Im Museum Voswinckelshof wird derzeit im Rahmen einer Ausstellung „500 Jahre Reformation im Land Dinslaken“ die älteste bekannte Stadtansicht, der so genannte „Schweinchenstich“, gezeigt.

Es ist eine kleine Sensation: Dinslaken ist in Dinslaken. Also das alte ,,Dynslaken“. Das mit dem hohen Burgturm, der Gasthauskapelle links neben St. Vincentius und den beiden Türmen vom Walsumer Tor. Die Stadtansicht mit dem Hirten, der eine Herde mit sieben Schweinen auf einem Feld vor der Stadt vor sich hertreibt - weshalb das Motiv bei den Dinslakenern allgemein als „Schweinchenstich“ bekannt ist.

Reproduktionen des Kupferstichs findet man in sämtlichen Büchern zur Stadtgeschichte und manch einer hat vielleicht noch die Wanddekoration im Restaurant des alten Hertie-Kaufhauses im Kopf. Jetzt aber konnte man im Rahmen der Reformationsausstellung im Museum Voswinckelshof einen Blick auf den Druck werfen, der der Ursprung all dieser modernen Nachdrucke ist.

Der Kupferstich ist eine Leihgabe des Museums Kurhaus Kleve. Dieses beherbergt die Sammlung Angerhausen, zu der der „Schweinchenstich“ gehört. Erst einmal sei das Blatt in Kleve gezeigt worden, weiß Dr. Peter Theißen, Leiter des Museums Voswinckelshof. „und noch nie zuvor in Dinslaken“.

Dinslakens früheste bekannte Stadtansicht im Originaldruck ihrer Zeit — eine Lupe sei dem Betrachter empfohlen. Das gute Stück misst kaum zwölf mal acht Zentimeter. Was allerdings in seiner Zeit, dem 17. Jahrhundert, nichts Ungewöhnliches ist. Stadtansichten waren populär und erschienen mit erläuternden Texten in Büchern. Illustrationen, die man noch heute, meist aus ihrem historischen Kontext herausgeschnippelt, für kleines Geld kaufen kann.

 

DER STICH IM BUCH UND IM ORIGINAL

Mehr zu den genannten Quellen findet man im Buch „Clivo polis“, das die Freunde der Schwanenburg e.V., der Klevische Verein für Kultur und Geschichte e.V und das Stadtarchiv Kleve 2005 herausgegeben haben.

Nicht jedoch den „Schweinchenstich“. Nur der eine Druck aus der Sammlung Angerhausen ist bekannt! Was aber ist sein Kontext gewesen? Von wem stammt er, wer hat ihn gedruckt? Es gibt kein Buch, in dem man beim Blättern auf den Stich samt ausführlicher Stadtbeschreibung stößt. Allerdings war „Dynslaken“ nicht allein. Büderich, Goch, Griethausen, Sonsbeck gibt es ebenfalls: So kommt man auf 23 Stiche - zählt man alle verwandte Stadtansichten der Sammlung Angerhausen, der eines Privatsammlers in Schermbeck und eines Einblattdruckes der Sammlung Bodel Nijenhuis in der Bibliothek der Universität Leiden zusammen. Und Letzteres könnte der Schlüssel zu allen sein. Denn auch auf ihm, offensichtlich das Widmungsblatt des 1660 von dem Klever Buchdrucker und Buchhändler Tobias Silberling für das Jahr 1661 gedruckten Almanaches, findet man zwei Stadtansichten, die aus der selben Serie zu stammen scheinen: der gleiche Stil, der gleiche Rahmen, die gleiche Schrifttype für den Ortsnamen. Dies veranlasste den Kunsthistoriker und langjährigen Leiter des Museums Kurhaus Kleve Guido de Werd 1988, die These aufzustellen, dass dem Einzelblatt des Almanachs mit Widmungstext, einem Familienbild des Kurfürsten und den Ansichten von Kleve und Wesel die Almanachsdaten für 1661 und die Ansichten aller Klevischen Haupt- und Unterstädte folgten. Stimmt dies und sind die Stadtansichten wirklich für diesen Zweck gestochen worden - oft wurden vorhandene Kupferplatten für andere Publikationen wiederverwendet, so wie noch heute Fotos immer wieder in Büchern oder im Internet auftauchen - so stünden Kontext und Datierung der frühesten bekanntesten Stadtansicht Dinslakens fest.

Bleibt noch die Frage, wer denn derjenige war, der den Schweinehirten und seine Tiere als Staffage vor Dinslaken und von seinen statisch bedenklich hohen Turm stellte und damit die künstlerische Vorlage für den handwerklichen Kupferstich lieferte. „HFeldman- Delineavit“ steht unter einer der Stadtansichten der offensichtlichen Serie. Und - ganz passend zu de Werds These - findet man auch im Portrait der Kurfürstenfamilie ein „Ex speculationibus’ Henderici Feldmanni“ – „nach einer Idee von Hendrick Feltman“, wie es im Buch „Clivo polis“ frei übersetzt wird. Hendrick Feltman war ein niederländischer Maler, der unter anderem bis heute für seine Ansicht von Nijmegen aus der Vogelperspektive bekannt ist und eine großformatige Stadtansicht von Kleve schuf, die, zusammen mit einem Text des Pfarrers Hermann Ewich, als Clivo polis, „Die Stadt Kleve“ 1653 bei dem Arnheimer Drucker Jacob van Biesen erschien.

Einige seiner Zeichnungen von Klever Städten sind sogar erhalten. Dinslaken ist leider nicht dabei.