Dinslakener Geschichte 1722


Errichtung des jüdischen Friedhofs
 

1722 wurde in der Innenstadt, am heutigen Kreisverkehr an der Friedrich-Ebert-Straße, ein Friedhof für die jüdisch Bürger der Stadt errichtet. Beisetzungen fanden hier bis 1920 statt, bevor der Friedhof dann in zwei Schritten 1927 bzw. 1938 aufgegeben wurde. Als Ersatz wurde bereits 1907 von der Synagogengemeinde ein neuer Friedhof errichtet, der Teil des heutigen Parkfriedhofs an der B 8 ist. Die Belegung endete 1938 mit dem Ende jüdischen Lebens in Dinslaken durch Emigration und Deportation.

Weitere Infos zu Dinslakener Friedhöfen

Liegen Gräber unter dem Stadtpark?

Anja Hasenjürgen, NRZ 25.2.2020

Die Gebeine des jüdischen Friedhofs sollten eigentlich 1927 auf den Parkfriedhof umgebettet worden sein. Ein nun aufgetauchter Zeitungsbericht eines Zeitzeugen stellt das in Frage.

Unter dem Stadtpark liegen möglicherweise noch alte Gräber des ehemaligen jüdischen Friedhofs. Diese Vermutung legt ein alter Artikel der Zeitung „Der Israelit“ aus dem Jahr 1927 nahe, den Anne Prior vom Verein Stolpersteine bei Forschungsarbeiten jetzt entdeckt hat, nahe. Der Bericht wurde von Sally Moses, dem Rendanten der damaligen jüdischen Gemeínde verfasst. Danach wurden, anders als bisher bekannt, 1927 eben nicht alle Gräber des jüdischen Friedhofs, der sich vom Kreisverkehr in den Stadtpark bis an die Häuser der Schillerstraße erstreckte, auf das jüdische Gräberfeld auf dem Parkfriedhof an der B8 umgebettet.

Ratsherr Johannes Niggemeier (SPD) kündigte diese „neuen Erkenntnisse zur Verlegung“ am Dienstag im Kulturausschuss an - ohne auf deren Inhalt einzugehen. In dem Ausschuss ging es um die Bewilligung eines Mahnmals zur Erinnerung an den jüdischen Friedhof.

Das ist der aktuelle Stand

Der jüdische Friedhof wurde wegen des Straßenbahnbaus „ab 1920 in mehreren Schritten vollständig abgebaut. Die gefundenen Überreste von Verstorbenen Wurden auf einer Sonderfläche auf dem Friedhof an der B8 beigesetzt, die historischen Grabsteine dort aufgestellt.“ Das schreibt die Stadt in der Vorlage für den Ausschuss.

1927 sei der kleinere Teils des jüdischen Friedhofs - also der Bereich, in dem nun der Kreisverkehr ist - „mit Zustimmung der jüdischen Gemeinde“ an die Stadt verkauft worden, sagt die Infotafel vor dem jüdischen Gräberfeld auf dem Parkfriedhof. Der größere Teil - also im Bereich des Stadtparks – sei nach der Reichspogromnacht „scheinbar ‚rechtmäßig’“ an die Stadt veräußert worden, heißt es weiter. Auch das klingt bei Moses anders: Danach wurde der jüdischen Gemeinde der Verkauf abgepresst.

Im März 1927 sei mit den Arbeiten begonnen worden, 79 Gräber hätten sich damals auf dem Teil des Friedhofs befunden, die ältesten mehr als 200 Jahre alt. „Die in den Grabstellen gefundenen Überreste wurden sorgsam gesammelt, in einen Beutel gelegt und in zehn Särgen auf die noch freien Teile des Friedhofs wieder beigesetzt.“ Sie wurden laut Moses also im Bereich des Stadtparks beigesetzt - nicht auf dem neuen Gräberfeld an der B8. Die Erde des Hügels „benutzte man zur Anhöhung des Friedhofsgeländes, welches erhalten geblieben ist. Wir wollen hoffen, dass den Toten nunmehr ewige Ruhe zuteil wird,“ endete Moses. Der Rechtsausschuss des preußischen Landesverbandes der jüdischen Gemeinden gab ein Jahr später bekannt, dass eine Gemeinde „niemals freiwillig ihre Rechte an einem Friedhof aufgeben“ darf.

Ein jüdischer Friedhof gilt als „Haus der Ewigkeit“: Jedes Grab bleibt für immer bestehen, die Totenruhe darf nicht gestört werden.

Sally Moses starb Ende 1927 an den Folgen einer Verletzung aus dem Ersten Weltkrieg. Er wurde auf dem neuen Friedhof an der B8 beigesetzt. Sein Grab befindet sich noch heute dort.

Das sind die bekannten Quellen

Die einzig bislang bekannte Information über die Umbettung der Verstorbenen vom jüdischen Friedhofsteil am Kreisverkehr auf das neue Gräberfeld an der B8 stammt vom Heimatforscher Sepp Aschenbach. Die Gebeine seien damals in Säckchen gesammelt und in einem Sarg auf dem neuen jüdischen Friedhof an der B8 beigesetzt worden, schreibt Sepp Aschenbach in seinem Buch „Steine der Erinnerung“ und bezieht sich auf die Auskünfte einer Zeitzeugin aus dem Jahr 1986. Dokumente, die den Ablauf der Aufhebung des Friedhofs belegen, seien aber nicht mehr vorhanden, heißt es in den Quellenangaben Aschenbachs.

 

Die Stadt Dinslaken brauchte den Friedhofshügel - heutiger Kreisverkehr - zum Ausbau des Verkehrs. Foto: Stadtarchiv

Das schrieb Sally Moses

Der nun entdeckte Bericht von Sally Moses aus „Der lsraelit“ stellt die Geschehnisse anders dar. Die Zeitung war das Zentralorgan für das orthodoxe Judentum.

Dinslaken. Sally Moses war nicht nur Berichterstatter sondern auch hoch angesehenes Mitglied der jüdischen Gemeinde. Sein Anliegen war, „die Überlieferung der Gemeinde unverfälscht zu erhalten,“ wie es in seinem Nachruf hieß.

Unter dem Titel „Die jüdische Gemeinde und ihr Friedhof“ berichtet Moses am 23. September 1927 vom Friedhof, dessen älterer Teil im Stadtpark lag und dessen neuerer Bereich auf einem Hügel im Bereich des jetzigen Kreisverkehrs. Bis 1911 wurde laut Moses der Friedhof genutzt. Dann habe die Gemeinde das Gräberfeld auf dem heutigen Parkfriedhof erworben.

Die Stadtverwaltung sei darauf hin mit dem Anliegen an die jüdische Gemeinde herangetreten, ihr das Grundstück mit dem Hügel zu überlassen. „Durch Stadtverordnetenbeschluss sollte, falls die Hergabe nicht freiwillig erfolge, ein Enteignungsverfahren eingeleitet werden“, schrieb Sally Moses. „Um nun nicht den ganzen Friedhof zu verlieren, wodurch die Gefahr bestand, dass alle Gräber umgebettet werden mussten, einigte man sich dahin, dass ein Teil des Hügels abgetragen und mit den Grabstätten auf dem noch freien Teil des Friedhofs wieder beigesetzt werden soll.“

 

Der ältere Teil des jüdischen Friedhofs lag im Stadtparkzwischen der Einfahrt zur Garage und der Bebauung an der Schillerstraße. Dorthin wurde die Toten nach dem alten Zeitungstext umgesetzt. Foto: Hans Blossey / Blossey.eu

 

Die Erinnerung an den ehemaligen jüdischen Friehof soll wach gehalten werden. Der heumische Künster Alfred Grimm wurde deshalb beauftragt diesbezüglich einen weiteren Mahnstein zu schaffen.

Im Stadtbild von Dinslaken sind einige von Alfred Grimm geschaffene Kunstobjekte zu finden, u.a.

- der sog. "Judenkarren" im Stadtpark, ein Mahnmal, das  an die Vertreibung jüdischer Mitbürger und

- mehrere Mahnsteine, die an ehemalige Mitbürger erinnern sollen.

ERINNERUNGSKULTUR

Erinnerung an den jüdischen Friedhof

Bettina Schack, NRZ 15.02.2021

Die Bronzeplastik von Alfred Grimm (r.), frisch gegossen in der Bronzegießerei Butzon und Bercker in Kevelaer, vor der Patinierung. Die Oberfläche wird später dunkel sein. Das Bild ist vor einigen Monaten entstanden. Foto: Martin Büttner

Alfred Grimms Mahnstein steht zur Abholung in einer Bronzegießerei bereit. Einen Termin für die Aufstellung in Dinslaken gibt es noch nicht. Der 27. Januar als Tag der Einweihung wurdecoronabedingt abgesagt.

Die Fläche zwischen dem Verteilerkreis an der Friedrich-Ebert-Straße und dem Stadtpark ist abgesteckt, die Bronzeplastik steht vollendet und zur Abholung bereit in der BronzegieBerei Butzon und Bercker in Kevelaer. Sie sollte bereits am 27. Januar an ihrem geplanten Standort in Dinslaken eingeweiht werden, doch daraus wurde nichts. Corona macht derzeit bei fast allem einen Strich durch die Rechnung.

Mit Bedacht gewählt

Dabei war der Termin zwischen dem Künstler Alfred Grimm und der Stadt mit Bedacht gewählt. An ihm wird der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gedacht, er ist einer der wichtigen Daten in der deutsch-jüdischen Erinnerungskultur. Und um diese Erinnerungskultur geht es auch bei dem an sich überfälligen Mahnmal in Dinslaken. Es soll an den jüdischen Friedhof der Stadt erinnern, der zwischen 1927 und 1938 an der Stelle des heutigen Verteilerkreises komplett aufgegeben wurde – ob wohl jüdische Gräber eigentlich gar nicht verändert oder versetzt werden dürfen.

Zeugnisse jüdischen Lebens in Dinslakens Innenstadt — es gibt sie nur noch in der Erinnerung. Alfred Grimms Bronzeplastiken setzen dabei besondere Zeichen. Er schuf den ,,Judenkarren“ - nur wenige Meter vom geplanten Standort für das Friedhofsdenkmal entfernt — als Mahnmal an die Pogromnacht in Dinslaken, er setzte die Mahnsteine in Erinnerung an jüdische Händler und Handwerker in der Innenstadt.

 

An deren Konzeption knüpft nun auch das neue Werk an. Und wie die vier Mahnsteine an der Friedrich-Ebert-Straße und der Altstadt und die Bronzearbeiten an der Gedenkstätte fiü Maria Euthymia am St. Vinzenz-Hospital wurde auch die neue Bronzeplastik nach dem Wachsmodell von Alfred Grimm bei Butzon und Bercker gegossen.

Sie erhält eine Patina, die ihre Oberfläche vergleichbar dunkel wie die der anderen Mahnsteine erscheinen lässt, es bleiben allerdings einige hellere Stellen zur Erhöhung der Plastizität.

Wie die anderen Mahnsteine ist auch die Erinnerung an den jüdischen Friedhof dreiteilig, zwei Sitzsteine laden zum Verweilen ein. An der Mittelstele sind drei Grabsteine angelehnt, ihre jüdischen Texte wurden von Pfaner i. R. Sepp Aschenbach ausgewählt. Gerade dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Alfred Grimm und Michael Bercker. Im Bronzeguss und in seiner Ausarbeitung dürfen hier keine Fehler unterlaufen.

Bei der Gestaltung der Stele orientierte sich Alfred Grimm an historischen Fotos des jüdischen Friedhofs, nahm das Motiv des großen Hügels ebenso auf wie die Formen einzelner Grabsteine und den alten Baumbestand. Über zwei Jahrhunderte lang, von 1722 an, bestattete die jüdische Gemeinde von Dinslaken ihre Toten auf dem „Doel“. Die drei Grabsteine an der Mittelstele von Alfred Grimms Mahnmal tragen konkret übernommene Grabinschriften von 1770, 1858 und 1916. ,,In einem besonderen technischen Verfahrne hat Butzon und Bercker die jüdischen Inschriften und die deutschen Infotexte auf die von mir geformten Grabsteine aufgebracht und als kleine Modelle gegossen“, erklärt Alfred Grimm.

 

Informationen online abrufbar

Derzeit kann Alfred Grimm nicht  sagen, wann das Mahnmal in Dinslaken aufgestellt wird. Das Fundament ist noch nicht gegossen, die Stadt habe sich nach der  Absage der Einweihung noch  nicht wieder bei ihm gemeldet, erklärt er.

Fest steht, dass im Gegensatz zu den ersten vier Mahnsteinen,  bei denen die biografischen Daten und Hinweise zu den Sponsoren in die Ensembles eingearbeitet wurden, nun zusätzlich zu einer Bronzetafel mit augenblicklich ablesbarem Text eine Tafel mit einem QR-Code aufgestellt werden soll, über den weiterführende Informationen, Hinweise, Fotos und historische Materialien über die Gedenkstätte online abgerufen werden können.