Dinslakener Geschichte 1850


Die Industrialisierung beginnt
 

In den letzten hundertfünfzig Jahren hat sich in dem Gebiet zwischen Ruhr und Lippe die Umwandlung der Landschaft in einem Ausmaß vollzogen, für das die Geschichte der vorausgegangenen Jahrhunderte kein Beispiel hat. Diese Wandlung änderte nicht nur das Bild der Landschaft, sondern gab diesem Lebensraum auch ein neues wirtschaftliches Gefüge, und die Bevölkerung, die sich durch wachsenden Zuzug aus allen Teilen Deutschlands und Europas mehr und mehr zusammenballte, wechselte von der alten naturgegebenen Lebensgrundlage von Landwirtschaft, Handwerk und Handel zu neuen Erwerbsquellen, die die Technik in der Industrie erschloss. Auch die Stadt Dinslaken und ihr Umfeld ist in diesen Umwandlungsprozess einbezogen worden.

Im Internetauftritt der Stadt Dinslaken ist unter der Überschrift " Kleinen Stadtgeschichte" zu lesen: "1850 Die Industrialisierung beginnt. Eine Leimfabrik entsteht, mit den Jahren auch eine Zündkerzenfabrik und ein Walzwerk." Eine vorsichtige Umschreibung des Umwandlungsprozesses von dem einstigen Handwerker- und Ackerbürgerstädtchen zu einer schnell wachsenden Stadt aufgrund zahlreicher Industrieansiedlungen. Insbesondere um die Wende vom 19. in das 20 Jh. nahm die Industrialisierung ein beachtliches Ausmaß an und leitete eine Entwicklung ein, die alles veränderte.

Die Industrialisierung begann nicht erst durch die von August Thyssen veranlasste Errichtung der Schachtanlage Lohberg und den Bau eines Walzwerks. Zuvor waren es Handwerksbetriebe, die sich und die technischen Erkenntnisse und Erfindungen weiterentwickelten. Hier am Beispiel der Kupferschmiede von Johann Arnold Meyer, die sich zu dem uns heute bekannten Industriebetrieb "Benteler" weiterentwickelte. Siehe hierzu den nachstehenden Bericht in der örtlichen Presse. Aber nicht alle Bemühungen, nicht aller Erfindergeist waren und sind dauerhaft von Erfolg gekrönt. Rückschläge, Insolvenzen und Firmenübernahmen sind - wie uns die Geschichte zeigt - nichts ungewöhnliches.

So wurde 1873 wurde im Bereich des Bahnhofs das Puddel- und Walzwerk Stöckmann errichtet. Aber dem ersten Walzwerk in Dinslaken war nur wenig Erfolg beschieden. Einige Jahre später musste der Konkurs anmeldet werden. Möglicherweise war der im Puddelverfahren gewonnenen Stahl nicht konkurrenzfähig genug um gegen den im preiswerteren Thomasverfahren gewonnenen Stahl standhalten zu können, vielleicht gab es auch andere Gründe, die zum Untergang des Unternehmens geführt haben.

Im Zuge des Aufkaufs von Ländereien für die künftigen Industriestandorte wurde das Werksgelände noch vor der Jahrhundertwende von Thyssen aufgekauft.

August Thyssen gründete 1897 in Dinslaken das Walzwerk "Deutscher Kaiser" und 1907 ein Bergwerk, die Schachtanlage Lohberg.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Dinslakener Walzwerk von den Besatzungskräften demontiert und in Rußland wieder aufgebaut. Lediglich das zum Stahlwerk "Deutscher Kaiser" gehörende Stahlflaschenwerk, es wurde 1911 gegründet,  blieb den Dinslakenern erhalten. Dank der Übernahme durch die Rheinischen Rohrwerke AG konnte das Werk 1948 wieder neu belebt werden.

 

Am Anfang eine Kupferschmiede

Heinz Ingensiep, NRZ 19.01.2019

Johann Arnold Meyer machte vor mehr als 250 Jahren an der Neustraße den Anfang. Die Geschichte führte zu einem Warmrohrwerk an der Luisenstraße.

Fast 140 Jahre vor Thyssen etablierte ein Kupferschmied das Metallgewerbe in der damals fast ausschließlich agrarisch geprägten Kleinstadt. Aus handwerklichen Anfängen erwuchs im 20. Jahrhundert ein breitgefächerter Familienkonzern, der selbst das Thyssensche Großwalzwerk überlebte. In den 1970-er Jahren allerdings kam das Ende einer Ära: Aus den „Meyer Werken“ wurde mit der Zeit „Benteler Steel/Tube“.

1761 übernahm Johann Arnold Meyer aus Osnabrück an der Neustraße eine Kupferschmiede, die bereits 1694 existiert hatte. Sein Sohn Hermann Arnold verlegte die Werkstatt 1839 in die Nähe des Walsumer Tores in der Altstadt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelten sich daraus eine Produktion von Brauereikesseln und Rohr-Komponenten sowie ein Eisenwarenhandel. 1914 nahm die Firma Meyer an der Duisburger Straße zudem ein Draht- und Nagelwerk in Betrieb.

Ab 1919 siedelte Arnold Meyer, ein Nachfahre des Gründers, den Betrieb hinter dem Güterbahnhof an. Dessen Sohn Friedrich Heinrich baute das Werk seit den 1930-er Jahren kontinuierlich aus. 1956 entstand die F. Meyer, Eisen- und Röhrenwalzwerk GmbH. In den 60er und 70er Jahren wurden weitere Anlagen angefahren, darunter ein Stahlwerk und ein Warmrohrwerk. Anfang der 70er Jahre erreichte das Familienunternehmen bei einer Jahresproduktion von 300.000 Tonnen mit 1450 Mitarbeitern den höchsten Beschäftigungsstand.

Der plötzliche Tod des langjährigen Chefs Friedrich Meyer (1972) zog das Ende des Unternehmens nach sich. Die diversen Werke Wurden vorübergehend in die ,,NiederRheinStahl GmbH“ (NRS) eingebracht. Die einsetzende Ökrise verschlimmerte allerdings die ohnehin schon missliche Lage der NRS. So kam es 1975 zur Übernahme durch das Paderborner Familienunternehmen Benteler. Die Folge waren Schließungen von Werksteilen und massiver Personalabbau. Von Meyer/NRS blieb letztlich nur die Fertigung warmgewalzter Rohre in Dinslaken übrig.

1992 wurde an der Luisenstraße mit einer Großinvestition das sogenannte Diescher-Schrägwalz-Verfahren (als Ersatz für die frühere Lochpresse) eingeführt. Damit konnte eine wesentliche Qualitätsverbesserung erzielt werden.

Im Boom-Jahr 2007 beispielsweise wurden in Dinslaken 290.000 nahtlose warmgewalzte Rohre hergestellt, was einer Länge von etwa 21.000 Kilometern entsprach. Neben der Öl- und Gasbranche sind Kraftwerksbauer die Abnehmer, aber auch die Automobilbranche, der Industriehallenbau und Konstrukteure von Achterbahnen. Der Großteil geht in den Export, in europäische Länder, nach Amerika und Asien.

 

2010 entschied das Familienunternehmen, den Sitz der Holding von Paderborn nach Salzburg zu verlegen. Dinslaken ist seit dem einer von fünf deutschen Standorten des Konzernbereichs „Benteler Steel/Tube“, der weiterhin aus Paderborn geführt wird und 2017 mit rund 3700 Beschäftigten 12,7 Prozent des Umsatzes generierte.

Das Benteler-Werk Dinslaken. Foto: Benteler

Verheerend wirkte sich ein Großbrand aus, der Ende Februar 2011 mehrere Tage lang im Kellergeschoss des Warmrohrwerks wütete. Das Feuer richtete einen Millionenschaden an; es gab zum Glück keine Verletzten. Die Produktion konnte jedoch erst im November des Jahres wieder aufgenommen werden.

2015 umfasste die Belegschaft noch rund 750 Leute. Damals war allerdings schon die Rede von Arbeitsplatzabbau. Außerdem reagierte man mit Kurzarbeit auf die Absatzprobleme, verursacht vor allem durch den Preisverfall auf dem Ölsektor. Im Jahr 2018 waren im hiesigen Werk knapp 600 Menschen beschäftigt. Damit ist Benteler weiterhin einer großer Arbeitgeber in der Stadt und der mit Abstand größte in der örtlichen Metallbranche.

Eine positive Nachricht für den Standort war die Investition in ein neues Ausbildungszentrum. Mehr als eine Million Euro ließ der Konzern sich die auf 900 Quadratmeter ausgeweitete Einrichtung kosten. Sie wurde im Herbst 2018 ihrer Bestimmung übergeben und bietet Platz für 32 Auszubildende im Bereich Metall/Elektro.