Dinslakener Geschichte: Der Glockenstreit von 1883 |
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Türme bestimmen
das Stadtbild. Sie sind auf besondere Weise der Stadt verbunden und fast
immer ein Stück ihrer Geschichte. Vielleicht hat die Stadt den Kirchturm von
St. Vincentius während des Mittelalters mit einem Wächter besetzt, der Feuer
und heranziehende Kriegsscharen ankündigte, mit dem Brandhorn. Nur so lässt
sich erklären, dass die Stadt Dinslaken früher zur baulichen Unterhaltung
des Glockenturms verpflichtet war. Wer Pflichten übernimmt, möchte auch
Rechte haben. Die Stadt wollte, wenn sie es für nötig hielt; auch mal
läuten. Und die evangelischen Bürger, deren Kirche lange Zeit keine Glocken
besaß, wollten ebenfalls bei besonderen Anlässen vom katholischen Kirchturm
läuten lassen. Das passte oft dem katholischen Pastor nicht.
Es kam 1883 zum letzten Mal zu einem handfesten Streit zwischen der Stadt und der katholischen Kirchengemeinde. Einmal sollte zum Geburtstag Martin Luthers und zwei Jahre später zur Einführung des evangelischen Pfarrers mit den Glocken der katholischen Kirche geläutet werden. Die Stadt gab die Genehmigung. Aber der katholische Pfarrer wollte nicht. Er bestritt das Recht der Stadt, über seine Glocken zu verfügen. Der Bürgermeister versammelte den Stadtrat. Es gab eine lange und harte Debatte, an deren Ende der Beschluss stand, den Pfarrer aufzufordern, den Schlüssel der Kirche "zum Zwecke des Läutens herauszugeben und im Weigerungsfalle mit Gewalt die Kirchentüre zu erbrechen". Der Pfarrer, er hieß Schönborn und kam aus dem Münsterland, weigerte sich, den Schlüssel zum Turm herauszugeben. Ein zeitgenössischer Bericht schildert wie es weiterging: "Am folgenden Tag morgens hatten sich der hiesige Gendarm und die beiden Polizeidiener nebst einer Anzahl Arbeiter eingefunden, die zur gewaltsamen Öffnung der Kirche lange, große Brechstangen in der Hand hatten und zum Läuten bestellt waren." Auch dieses Aufgebot imponierte dem Pfarrer nicht. Der Chronist erzählt weiter: "Der Gendarm ließ nun einen Schmied holen und wurde alsdann von diesem unter dem nochmaligen Proteste des Pfarrers die Kirchentür und danach, da die Glockenseile aufgezogen waren, die Turmtür gewaltsam mit einem Brecheisen geöffnet und das Läuten von den durch den Stadtrat dazu bestellten Arbeitern vorgenommen. Man hatte auch vorsorglich einen großen Korb voll Seile mitgebracht, um für den Fall, dass die Glockenseile abgenommen wären, dieselben gleich daran zu befestigen."
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Die Beschwerde bei der Regierung in Düsseldorf löste ein gewaltiges Donnerwetter aus. Der Bürgermeister sowie sein Beigeordneter wurden in eine Geldstrafe genommen. Niemand, auch kein Bürgermeister, darf sein Recht mit der Brechstange durchsetzen. Stadt und Kirche aber haben sich bald arrangiert. In den folgenden Jahren soll noch häufig die Glocke von St. Vincentius für Katholiken, Evangelische und Juden im Sterbefall geläutet haben. Dafür blieb die Stadt weiterhin bei ihrer Verpflichtung, den Turm zu unterhalten. Als Baurat Nottebaum am 1. April 1899 die Leitung des damals neu eingerichteten Stadtbauamtes übernahm, wurde er zugleich "Turmbaumeister von St. Vincentius". Er hatte auch bald darauf seinen Ärger mit dem Turm. Später berichtete er darüber: "Als in der Neujahrsnacht 1900 einige junge Leute aus der Pumpennachbarschaft in den Kirchturm eindrangen, um das neue Jahrhundert einzuläuten, überschlug sich bei dem übermütigen Reißen an den Glockenseilen die große Brandglocke, fiel vom Glockengerüst und blieb im Turmgebälk hängen. Die Glocke hatte beim Aufprall einen Sprung erhalten und konnte fortan nicht mehr geläutet werden." Bald darauf stand in der Zeitung ein Leserbrief mit der Überschrift: "Dem Glücklichen schlägt keine Stunde." Darin hieß es: "Wir Dinslakener können uns zu den Glücklichen zählen, denn im neuen Jahr hat unsere Turmglocke noch keine einzige volle Stunde geschlagen. Es wird Zeit, dass sich unser junges Bauamt mal daran hängt!" Der Uhrmacher Kersken hat denn, den Schaden behoben, indem er das Schlagwerk auf eine kleinere Glocke umlegte. Die Stadt gab ihre Rechte und Pflichten am Kirchturm erst im Jahre 1924 auf, als ein neuer Turm, der mit der Zwiebelspitze, errichtet wurde.
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