Dinslakener Geschichte 1900


Die Straßenbahn vor den Toren der Altstadt

 

Ende des 19. Jahrhunderts befanden sich das Ruhrgebiet und der Duisburger Raum in einem rasanten Aufschwung. Bergbau und metallverarbeitende Betriebe eröffneten in rascher Folge oder wurden erweitert. Die notwendigen Arbeitskräfte standen durch Bevölkerungswachstum und vor allem durch ständigen Zuzug zur Verfügung. In der so genannten Hellwegzone, also den Städten Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund mit ihrem Umland, wuchs die Bevölkerung zwischen 1871 und 1905 von rund 392 000 auf 1,45 Millionen. Diese Menschen mussten alle zu ihrer Arbeitsstelle gelangen. Mit dem Wachstum der Betriebe und der Bevölkerungszahl ging natürlich auch ein flächenmäßiges Wachstum der Städte einher. Der Weg zur Arbeit wurde immer länger, da Wohnraum in unmittelbarer Nähe zum Werk kaum noch zu finden war. Stundenlange Fußmärsche waren die Folge, die neben dem Zeit- auch viel Kraftaufwand nötig machten, Kraft, die der Arbeiter eigentlich für seine Arbeit aufbringen sollte.

Eisenbahnen gab es im Duisburger Raum schon seit den 1840er Jahren; diese waren allerdings zunächst nur für den Transport von Waren ausgelegt. 1881 wurde in Duisburg eine erste Pferdebahnlinie nach Ruhrort eröffnet, die so erfolgreich war, dass sie schon im ersten Jahr ihres Bestehens 380 000 Passagiere beförderte. Bald schon erweiterte man nicht nur das Streckennetz, sondern begann, Pferde durch Elektrizität zu ersetzen. 1897 wurde die erste elektrifizierte Straßenbahnstrecke von Ruhrort nach Bruckhausen beziehungsweise Meiderich in Betrieb genommen. Dass der Bedarf nach einem solchen Transportmittel bestand, zeigt die Tatsache, dass die Betriebsgesellschaft in den folgenden zwei Jahren nach der Eröffnung der Strecken insgesamt 26 Trieb- und Beiwagen anschaffte, um die Fahrgastzahlen bewältigen zu können. Der Weg zur Arbeit wurde so für viele Menschen erheblich einfacher.

Auch in Dinslaken sah man zu diesem Zeitpunkt die Notwendigkeit, größere Menschenmassen rasch und kostengünstig zu transportieren. Im Jahre 1900 eröffnete eine Gesellschaft mit dem gewichtig klingenden Namen „Continentale Eisenbahnbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Berlin“ die Straßenbahn-Strecke Neumühl-Hamborn-Dinslaken. Damals lag die Endstation der Bahn nicht, wie heute, am Dinslakener Bahnhof, sondern am Walsumer Tor, gegenüber dem evangelischen Pfarrhaus an der Duisburger Straße. Das hatte verschiedene Gründe. Die einzige Durchgangsstraße, die Duisburger Straße, war für die Bahn zu schmal. Die heutige Friedrich-Ebert-Straße gab es noch nicht. Der Rotbach und alte Stadtgräben mit trübem Wasser waren dort, wo heute Autos und Straßenbahn fahren. Außerdem stand das alte Bürgermeisteramt genau zwischen der heutigen Stadtbibliothek und der Metzgerei Lehmkuhl. Kein Wunder also, dass um 1907 das Projekt, hier einen breiten Straßendurchbruch zu schaffen, im Stadtparlament lebhaft diskutiert wurde. 1908 wurde bereits der Vertrag mit der „Continentalen“ über die Weiterführung der Straßenbahn vom Walsumer Tor zum „Staatsbahnhof“ abgeschlossen.

Triebwagen Nr. 16 der Kreis Ruhrorter Straßenbahn, mit Fahrer und Schaffnerin. Einsatzort: Linie Dinslaken-Meiderich. (Quelle: Kreisarchiv Wesel)

Etwas schwieriger gestalteten sich die Verhandlungen mit den Anliegern wegen der notwendigen Grundstückskäufe. Erst 1911 konnte die Bahn am damaligen Rathaus vorbei zum Bahnhof gelegt werden. Die damals für Dinslakener Verhältnisse breite Friedrich-Ebert-Straße ist auch heute noch ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass die Mannen um Baurat Nottebaum planten, wenn auch gegen den Widerstand der noch in kleinstädtischen Perspektiven denkenden Ratsmitgliedern, weitsichtig planten.

1910 wurde die Straßenbahnstrecke Neumühl-Walsum-Dinslaken mit Unterstützung von RWE und Stadt Duisburg von der 1893 gegründeten „Kreis Ruhrorter Straßenbahn AG“ aufgekauft, die wiederum 1940 in die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) aufgegangen ist.

 In den folgenden Jahrzehnten wurde das Straßenbahnnetz immer weiter ausgebaut und verbessert, so dass man heute bequem und schnell von Dinslaken nach Duisburg gelangen kann.

 

STADTGESCHICHTE DUISBURG

Vor 120 Jahren: Tram löst die Postkutsche nach Duisburg ab

Gregor Herberhold, NRZ 17.03.2019

Paul Müller, Fahrer, mit einer Schaffnerin circa im Jahr 1914 an der Rheinstraße auf Höhe des Fischrestaurants Langhoff an der damaligen Endhaltestelle. Foto: Archiv Heimatverein Walsum

1899 haben die Walsumer mit dem Verlegen der Straßenbahnschienen nach Hamborn begonnen. Kurz nach Start des Fahrbetriebs kippt die erste Bahn um.

Seit rund 120 Jahren können sich die Bürger im Duisburger Norden auf den öffentlichen Nahverkehr verlassen. Damals gehörten Hamborn und Walsum freilich noch nicht zu Duisburg – sie waren selbstständige Gemeinden. Die Idee, die alte Postkutsche zu ersetzen, die von Duisburg über Meiderich über Walsum nach Dinslaken fuhr, entstand Ende des 19. Jahrhunderts.

Ungefährlich waren Straßenbahnfahrten früher nicht: Immer wieder kippten laut Helmut Schorsch Wagen in Vierlinden um. Das Bild stammt aus den 1930er oder 1940er Jahren.

Foto: Archiv Heimatverein Walsum

Zweispännige Postkutsche brauchte von Dinslaken nach Duisburg keine zwei Stunden

Die zweispännige Postkutsche brauchte trotz der schlechten Straßen damals gerade mal eine Stunde und 40 Minuten für die Strecke, weiß Helmut Schorsch, Vorsitzender des Walsumer Heimatvereins. 1897 hatte der Gemeinderat Walsum die Straßenbahnlinie mit elektrischem Antrieb gefordert, im Oktober 1899, also vor 120 Jahren startete die Verlegung der Schienen im Bereich Walsum-Aldenrade.

Bereits einen Monat später waren Schienen aus der anderen Richtung kommend (Startpunkt Neumühl) bis Pollmann einsatzbereit. Die erste Haltestelle auf Hamborner Gebiet wurde im November 1899 in Betrieb genommen, wie Helmut Schorsch berichtet. Sie befand sich am Wasserturm (Evangelische Kirche), heute Duisburger Straße.

Nach einem halben Jahr Bauzeit fuhr die erste Tram

Bis die Tram auf der einspurigen Strecke auch in Walsum fuhr, dauerte es noch ein paar Monate: Am 2. Juni 1900 gab es den amtlichen Segen. Schon bald darauf war die Straßenbahn derart beliebt, dass Anhänger angeschafft werden mussten, um alle Passagiere befördern zu können. Allerdings waren die Fahrten nicht ungefährlich: Die Verankerung der Schienen im Boden wackelte, Entgleisungen kamen häufiger vor. Und dabei kippten Bahnen auch mal um.

Die Walsumer Zellstofffabrik und der angrenzende Pütt waren auch Kunden der Straßenbahngesellschaft. Die einen ließen sich damit Holz liefern, die anderen transportierten in den Wagen Kohle ab. Die Strecke gehörte damals der Kreis-Ruhrorter-Straßenbahngesellschaft, die 1940 Teil der Duisburger Verkehrsgesellschaft wurde – zusammen mit der Straßenbahn Hamborn.

 

Eisenbahn blockierte die Straßenbahn im Bereich Neumühl

Die Kontrolleure in den Straßenbahnen vor 100 Jahren hatten übrigens Polizeibefugnisse. Sie galten als „Kleinpolizeibeamte“, die das Sagen hatten, wenn es Probleme mit Fahrgästen gab.

Holten war ab 1919 ans Schienennetz angeschlossen (bis 1961). Ein Problem war die Strecke nach Neumühl. 1913 etwa war diese Tram stets unpünktlich, weil sie ständig an der Eisenbahnschranke in Neumühl warten musste. 95 Mal pro Tag war sie zu.

 

Das Bild aus dem Jahre 1930 ist am Bahnhof in Dinslaken entstanden und zeigt den Fahrer namens Feuchthofen (links) mit dem Schaffner Klein (rechts). Beide waren Mitarbeiter der Kreis-Ruhrorter-Straßenbahn. Foto: Archiv Heimatverein Walsum

Am 30. November 1907 ist diese Bekanntmachung veröffentlicht worden. Fahrten mit der Bahn kosteten 10, 15, 20 oder 25 Pfennig. Fahrgäste konnten die Karten auch im Monatsabo kaufen.

Foto: Archiv Heimatverein Walsum

 

Straßenbahnen der Kreis-Ruhrorter-Straßenbahngesellschaft, zu sehen im Depot Walsum vermutlich in den 1910er oder 1920er Jahren. Hier im Bild Wagen 16 (nach Dinslaken) sowie Wagen 1 und 17 (Meiderich). Foto: Archiv Heimatverein Walsum