Dinslakener Geschichte 1918


Die ersten Sozialdemokraten im Dinslakener Stadtrat
 

Von der Entstehung der Sozialdemokratischen Partei Deutschland - SPD

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts gründeten sich in vielen Staaten Europas Arbeitervereine und -parteien, die sich für die Arbeiterbewegung zu einer schlagkräftigen Interessenvertretung entwickelten. Im Deutschen Reich vereinigte sich 1875 der 1863 unter Ferdinand Lassalle gegründete Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) mit der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) von August Bebel und Wilhelm Liebknecht zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP). Mit der SAP verfügte die Sozialdemokratie in Deutschland über eine einheitliche Partei, in ihr sah Reichskanzler Otto von Bismarck eine der größten Gefahren für die Gesellschaft im Deutschen Reich.

Wie in Großbritannien, Frankreich und anderen industriell aufstrebenden Nationen herrschte auch im deutschen Bürgertum und beim Adel eine ausgeprägte Furcht vor revolutionären Bestrebungen und gewaltsamen Umsturzversuchen der stetig wachsenden Arbeiterbewegung. Die Sozialdemokratie löste Mitte der 1870er Jahre in Deutschland den politischen Katholizismus daher als "Reichsfeind Nummer eins" ab.

 


Im neu gegründeten Kaiserreich sah Reichskanzler Bismarck in der SAP die größte Gefahr für die Erhaltung seiner monarchistischen Staatsordnung. Deswegen nahm er 1878 zwei Attentate auf Kaiser Wilhelm I. dazu zum Anlass, ein sogenanntes Sozialistengesetz gegen die Sozialdemokraten zu verabschieden. Der Einfluss der Arbeiterbewegung in Politik und Gesellschaft konnte dennoch nicht unterbunden werden. Sie gewann bis 1918 immer mehr an Zulauf.

Nach Bismarcks Entlassung 1890 verlängerte der zwei Jahre zuvor zum Kaiser gekrönte Wilhelm II. das Sozialistengesetz nicht: Er war zunächst auf Ausgleich mit der Arbeiterbewegung bedacht. Die Nichtverlängerung des Sozialistengesetzes führte 1890 zur Neugründung der SAP als Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Sie wurde vor dem Ersten Weltkrieg die mit Abstand mitgliederstärkste Partei und stellte 1912 erstmals auch die stärkste Reichstagsfraktion.

Dinslaken

Sozialdemokraten der ersten Stunde

Warum August Achenbach und Karl Hantel erst im Jahr 1918 der Sprung in den Dinslakener Stadtrat gelang. Beide setzten sich für Not leidende Bevölkerung ein.

Johannes Niggemeier, NRZ 05.10.2015

... Die ersten beiden Sozialdemokraten im Dinslakener Stadtrat waren aus Ostpreußen „eingewandert“: der Drahtzieher August Achenbach, seit 1913 Mitglied der SPD, und der Bergmann Karl Hantel. Hantel war seit 1910 Parteimitglied. Ihre erste Sitzung war am 11. März 1918. Die Bevölkerung hatte den „Steckrübenwinter“ 1916/1917 hinter sich. Es gärte in der Not leidenden und kriegsmüden Bevölkerung, es kam schon an mehreren Bergbaustandorten des Ruhrgebiets zu Hungerstreiks. In der SPD führte der Konflikt um die Kriegskredite zur Abspaltung der USPD. In Dinslaken fand der innerparteiliche Konflikt noch keinen Niederschlag. Das Dinslakener Ratsprotokoll vermerkt, dass beide für die 3. Abteilung gewählt wurden: Für den Preußischen Landtag Wie für die kommunalen Vertretungen galt bis zum Ende des Kaiserreiches das preußische Dreiklassenwahlrecht. Die Wahl nach diesem Verfahren war höchst ungleich. Die Wahl der Abgeordneten erfolgte indirekt: Die Wahlberechtigten Wähler wählten in offener Versammlung Wahlmänner, diese wiederum die Abgeordneten ihres Wahlbezirkes Die Wahl war also auch nicht geheim, von den sozialdemokratisch orientierten Bürgern nahmen nur sehr wenige an diesen Versammlungen teil.

 

Das Wahlverfahren begünstigte die konservativen politischen Kräfte in Preußen, die Sozialdemokraten hielt es weitgehend aus dem preußischen Landtag und den kommunalen Räten fern. Insofern verwundert es nicht, dass Achenbach und Hantel erst 1918 – nach einer gewissen Lockerung des Dreiklassen-wahlrechts – der Sprung in den Dinslakener Stadtrat gelang. Eine Parteiorganisation wird in Dinslaken in den Jahren zwischen 1900 und 1910 entstanden sein, und zwar als „,Sozialdemokratischer Verein - Filiale Dinslaken“. Der damalige SPD-Unterbezirk Duisburg-Mülheim-Wesel hatte mittlerweile eine starke Parteiorganisation mit Parteizeitung und schon wenigen hauptamtlichen Mitarbeitern geschaffen, ab 1907 war der spätere Dinslakener Landrat Wilhelm Schluchtmann hauptamtlicher Parteisekretär in Duisburg. Der SPD-Unterbezirk hatte seine Aktivitäten nach 1900 auch auf die noch eher ländlich geprägte Region im Norden Duisburgs ausgedehnt: In der Zeit entstanden Parteigliederungen in Walsum und in Dinslaken. Es gibt- jedoch aus der Zeit keine Unterlagen und Protokolle der Parteiarbeit, auch die Zahl der Paneimitglieder in Dinslaken bis 1918 kann nur vermutet werden - sie wird sehr überschaubar gewesen sein. Für Walsum ist die Mitgliederzahl im Jahr 1906 bekannt: Die Partei hatte hier 15 Mitglieder.

Hantel und Achenbach setzten sich - das weisen die Ratsprot0kolle von 1918 nach — nachdrücklich für die Not leidende Bevölkerung ein. So beantragt Achenbach, den heimkehrenden Soldaten und ihren Familien zu Weihnachten eine besondere Unterstützung zu gewähren: Für die Krieger je 10 Reichsmark und für die Ehefrauen und jedes Kind je 3 Reichsmark. Die Not war groß in den letzten Kriegsmonaten. So berichtet die Hamborner Volkszeitung über die Verwendung von Laub als Futtermittel angesichts der Hungersnot, über steigende Lebensmittelpreise und Diebstählen von Hühnern und Schweinen, Einbrüchen in Speisekammern sowie Schleichhandel mit Getreide.