Dinslakener Geschichte 1929


Gründung der Lichtburg

Die Lichtburg [Am Neutor 24] ist 90 Jahre alt

Das Kino wurde im Oktober 1929 eröffnet, nach dem Krieg wieder aufgebaut - und war immer in Familienhand. Den 100. Geburtstag wird die Lichtburg aber an anderer Stelle feiern

Ausgerechnet „Atlantik“! Ein Untergangsdrama, angelehnt an den Untergang der Titanic, war der erste Film, der in der Dinslakener Lichtburg gezeigt wurde. Das war fast genau vor 90 Jahren: am Samstag, 26. Oktober 1929.

Tatsächlich ging auch das Kino unter - es wurde im Krieg zerbombt. Aber es wurde wieder aufgebaut. Und war immer in Familienhand.

Es war der Tag nach dem Schwarzen Freitag, dem Börsencrash in den USA, Der Beginn der Weltwirtschaftskrise. Aber davon ahnten die Menschen in Dinslaken 1929 noch nichts, Wer konnte, machte sich fein und ging in die Lichtburg. 1000 Plätze fasste der große Saal - der damals noch eine Bühne hatte. Kino – das war damals modernes Theater. Und eine der wenigen Unterhaltungsmöglichkeiten für die Menschen. „Es gab ja noch kein Fernsehen“, erinnert sich Heidrun Grießer (75), die die Lichtburg heute (30.10.2019) gemeinsam mit ihrer Tochter 'Heike (52) betreibt.

Die Mutter der Dinslakener Kinos ist eine Frau: Heidrun Grießers Großmutter Helene Trenthammer. Schon 1915 zeigte sie im Hotel Reichskrone an der Neustraße die ersten „Filme“. Aus Not! Der Ehemann war im Krieg und „im Festsaal des Hotels feierte niemand Feste“, weiß Heidrun Grießer. Also besorgte sich ihre Oma auf dem Flohmarkt einen Projektor. Mithilfe eines Handkurbelgeräts vom Pferdemarkt wurden Bilder zum Leben erweckt: Die ersten bewegten Bilder, die in Dinslaken über eine Leinwand flimmerten! Stummfilme, die höchstens 10 Minuten lang waren - wegen des anstrengenden Kurbelns.

Das „Kino“ lief so gut, dass nach dem Krieg Karl Trenthammer mit Teilhabern das „Moderne Theater“ an der Wallstraße eröffnete - „das war der erste Kino-Zweckbau“, so Heidrun Grießer Dann starb Helenes Mann -hatte das Kino aber nicht seiner Frau übertragen. „Meine Großmutter hatte nichts von dem Geld“, bedauert Heidrun Grießer.

Aus dem Vorhang wurden Mäntel

Die tapfere Frau berappelte sich wieder, 1929 eröffnete sie die Lichtburg am jetzigen Standort. Für 16 ]ahre. Am 23. März 1945 zerstörten Bomben das Kino. Die Eltern von Heidrun Grießer zogen mit der Großmutterweg. „Ich bin deswegen in Oberstdorf geboren“, berichtet Heidrun Grießer. Nach dem Krieg - ihr Vater war in Gefangenschaft - kamen die Grießer-Frauen zurück nach Dinslaken. Die Lichtburg war zerstört, das Kino an der Wallstraße beschädigt und konfisziert. Heidrun Grießers Mutter Elisabeth Schimmel verhandelte mit dem Kommandanten – und sicherte sich die Kinolizenz und Rechte als Geschäftsführerin an der Wallstraße „Sie war ja ein gebranntes Kind“, so Heidrun Grießer. 1946 wurde das Kino Wieder eröffnet- allerdings ohne den roten Wollvorhang vor der Leinwand. „Meine Großmutter, meine Mutter, und ich hatten alle dunkelrote Wollmäntel“, erinnert sich Heidrun Grießer und lächelt. Ihre Mutter war eine selbstbewusste Frau. „Sie war für diese Zeit genau die richtige. Die konnte kungeln und flirten und machen und tun“, weiß Heike Grießer.

Und so erreichte sie, dass die Lichtburg wieder aufgebaut wurde. Ab 1951 wurden hier nicht nur Filme gezeigt, es fanden Revuen statt, die großen Schauspieler kamen zu Premieren, Showstars traten auf: Heinz Rühmann etwa war hier oder Conny Froboess!

Wenn neue Filme anliefen, kletterte ein Mitarbeiter aus dem Fenster und tauschte die Werbetafel über dem Eingang, „Und die Leute standen bis [zur Metzgerei] Oberfohren,“ so Heike Grießer. Sie ist mit der Lichtburg aufgewachsen. „Wenn ich bei der Oma geschlafen habe, durfte ich mir abends Süßigkeíten an der Kinokasse aussuchen“. Popcorn gab es damals noch nicht - aber Schokolinsen! Und eine Garderobe, wie im Theater. 1980 wurde erneut umgebaut, der Eingang an die jetzige Stelle (vorher war dort eine Kneipe) verlegt - und aus dem großen Kinosaal wurden drei. 2006 wurde renoviert.

Den 100. Geburtstag wird die Lichtburg wohl nicht mehr an dieser Stelle feiern: Auf dem Gelände hinter der Alten Feuerwache ist ein Kino-Neubau mit sieben Sälen geplant. Die Betreiberinnen: die Grießer-Frauen.

Von Anja Hasenjürgen, NRZ 31.10.2019

Weitere Informationen unter: https://www.kino-dinslaken.de