Dinslakener Geschichte 2017


500 Jahre Reformation im Land Dinslaken.
 

Zur Erinnerung an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren wurde 2017 das "Luther-Jahr" ausgerufen. In zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen beteiligte man sich auch in Dinslaken hieran. Nachfolgend einige wenige Presseberichte hierzu.

Zuvor jedoch eine Stellungnahme des Kolpingwerkes Deutschland  zur Bedeutung der Reformation, Religion und Kirche für unsere demokratische Gesellschaft.

Das Kolpingwerk ist ein Zusammenschluss katholischer Christen, die - basierend auf den Lehren des Handwerkerpriesters Adolph Kolping - bemüht sind, ihrer Verantwortung in Staat und Kirche gerecht zu werden. 

Aus der Chronik der Stadtkirche

Reformation förderte Weg zur Demokratie

Die Reformation gehört zur Vorgeschichte für die demokratische Entwicklung unserer Zivilgesellschaft in Deutschland und für das demokratische Europa. Darauf hat die Bundesversammlung des Kolpingwerkes Deutschland anlässlich des 500-jährigen Reformationsgedenkens im Jahre 2017 hingewiesen.

Wesentliche Errungenschaften unseres heutigen demokratischen Staatswesens wurden bereits durch sie grundgelegt. “Es brauchte Zeit, bis der Schatz der Freiheit, der tief im christlichen Menschenbild wurzelt, in der Folge der Reformation gehoben werden konnte. Der Gedanke der Freiheit eines Christenmenschen steht zugleich für die Freiheit Andersdenkender und Andersglaubender und ebenso für die Freiheit der Religionsausübung“, betonte die Bundesversamrnlung.

Eine der Kernbotschaften der Reformation sei die Anerkennung des Wertes einer Person, die allein in ihrer Anerkennung durch Gott begründet sei, unabhängig von gesellschaftlichem Status und individuellen Fähigkeiten oder anderer Leistungen. „Diejenigen, die fordern, der demokratische Staat müsse sich vollständig von Religion und Kirchen befreien, verkennen die positive Kraft, die in diesem Erbe liegt. Denn unser Rechtsstaat lebt in seinen Normen und Werten auch durch religiöse Wertvorstellungen. Er lebt von \/oraussetzungen, die er selbst nicht geben und garantieren kann“, hebt die Erklärung des Kolpingwerkes hervor.

 

Der demokratische Staat distanziere sich nicht von Religion und Kirchen, sondern verstehe sie in größerer Ausdrücklichkeit als ein Gegenüber, als wichtige zivilgesellschaftliche Akteure. Religion und Kirchen hätten ebenfalls die Aufgabe, in einem Spannungsfeld von Nähe und kritischer Distanz zum Staat diesen einerseits mitzugestalten und andererseits ihm einen Spiegel vorzuhalten. Sie seien wichtige Diskussionspartner, die besondere Aspekte in den öffentlichen Diskurs einbringen könnten - zum Beispiel zu ethischen und existentiellen Fragen, wie der Unverfügbarkeit und dem Schutz des Lehens.

lnsofern profitiere der Rechtsstaat von Religion und Kirchen, insbesondere bei ethischen Fragestellungen könne er Meinungen wahrnehmen, die nicht der Logik und den Sachzwingen von Politik und Wirtschaft gehorchen.

„Ein gänzlich laizistischer Staat, der alle Religionsausübung privatisiert und jede öffentliche Darstellung verbietet, drängt Religion nicht nur in die Hinterhofe der Gesellschaft und macht die Religion so unsichtbar, sondern er bringt sich auch um Debatten, die ihn vor der Banalität des rein Ökonomischen behüten können“, betont die Bundesversammlung. „Die Zeit der Reformation hat Strukturen aufgebrochen, deren Früchte zu hüten und deren Konsequenzen zu sichern ein stetiger Auftrag bleiben“, heißt es in der Erklärung des Kolpingwerkes Deutschland.

So wurde der Niederrhein reformiert

David Bieber, NRZ 13.10.2017

„500 Jahre Reformation im Land Dinslaken“ im Museum Voswinckelshof gibt spannende Einblicke in die Geschichte der Lutheraner in unserer Region.

An Luther kommt man einfach nicht vorbei in diesem Jahr. Schließlich ist 2017 sein Jahr. Lutherjahr. Vor 500 Jahren hat der berühmte Kirchenerneuerer seine 95 Thesen an die Kirche zu Wittenberg genagelt und so für eine Reformation in den Kirchen und Ländern Mittel- und Nordeuropas gesorgt.

Reformation verlief langsam

Da auch Luthers Thesen und Ideale den Niederrhein erreichten und das Leben der Menschen entscheidend mitprägten, hat das Stadthistorische Zentrum Dinslaken im Museum Voswinckelshof dem großen Reformator und der Reformation im Dinslakener Land eine kleine, aber dennoch informative Sonderausstellung gewidmet.

Bis zum 19. November sind nicht nur Fotos und Schriften, sondern auch einzigartige Exponate wie eine Original-Ablasstruhe und moderne Museumselemente wie zum Beispiel ein Touch-Screen und ein Türgroßes Beleuchtungsmodell, das die allmähliche Ausbreitung der Reformation im Dinslakener Land farblich verdeutlicht, zu sehen. Im Hintergrund hört man leise und auf sehr angenehme, fast meditative Weise Kirchengesänge. Luther wird nachgesagt, er habe eifrig Lieder komponiert und auch wieder mehr Musik in die Kirche gebracht.

Die Reformation am gesamten Niederrhein verlief langsam und schleppend. Obwohl sich die Ideen Martin Luthers, jenes stürmischen Querdenkers, der zur damaligen Zeit regelrecht als Star angesehen worden ist, schon jahrelang nach dessen Thesenanschlag von 1517 in Mitteldeutschland und anderen Regionen verbreitet haben, ging erst 1548 – da war Luther schon zwei Jahre tot – die erste reformatorische Welle von Wesel aus. Sie schwappte von dort erst ins Dinslakener Land und in die Stadt hinein. Und erreichte zuerst Handwerkerfamilien, wie Schriften und Karten aus dem reichhaltigen Dinslakener Stadtarchiv bekunden.

Die reformatorische Bewegung, so erfährt der Besucher in der Ausstellung, sei insbesondere vom humanitären Einfluss der drei letzten, sehr weltoffenen Klever Herzöge befördert worden. So gesellten sich allmählich zu den etablierten Katholiken im Dinslakener Land auch Lutheraner und Reformierte. Sie alle lebten mehr oder weniger friedlich zusammen – bis es 1586 zum verheerenden Spanisch-Niederländischen Krieg kam, der den Niederrhein fast in Schutt und Asche legte. Aber selbst dieser Krieg und die daraus neu entstehenden Machtverhältnisse konnten den „Siegeszug“ der Reformation und ihrer Ideale nicht aufhalten im Dinslakener Land sowie am gesamten Niederrhein.

 



Unzufriedenheit mit der Kirche

Zu stark und zu lang sitzend war die Unzufriedenheit gegenüber den Machenschaften der Katholischen Kirche, die sich unter anderem im Ablasshandel, in der Korruption und Vetternwirtschaft zeigten. Lutheraner, vor allem jene am Niederrhein, setzten dagegen nur auf die „Sola scriptura“ und schworen dabei auf die heilige Schrift und nicht auf deren teilweise verfälschte und interessengesteuerte Auslegung durch Kirchen, Geistliche oder den Papst.

Diese Besinnung auf diese eine der vier Säulen der Reformation schwächte die Katholische Kirche zunehmend, Menschen zweifelten abermals und wollten (Er-)neuerung. Lutheraner reformierten, brachen alte, verkrustete Strukturen auf und sorgten, wie man heutzutage sagen würde, für neue Standards in Gesellschaft und Glauben.

Digitaler Comic in der Ausstellung

Eine der ersten direkt spürbaren Medienrevolution, hervorgerufen durch die Popularisierung des Buchdrucks in Europa wenige Jahrzehnte zuvor, verhalf Luther zum publizistischen Erfolg seiner Schriften und seiner späteren Bibelübersetzung. 1530 waren knapp ein Drittel aller auf dem Markt erhältlichen Druckerzeugnisse allein von Martin Luther. Die positive Folge für die Bevölkerung: Viele lernten durch die Verbreitung Luthers Schriften Lesen und Schreiben, hatten somit Zugang zu Bildung. Es war nun nicht mehr nur Geistlichen und Adeligen vorenthalten, zu lesen und zu schreiben. Nebst der beschriebenen Alphabetisierung wurden (evangelische) Schulen wie die im 17. Jahrhundert erbaute Gartenschule in Dinslaken errichtet.

Zudem entwickelte sich die kirchliche Sozialfürsorge und die Grundlagen für die fleißige “deutsche Arbeitsmoral“ bildete sich aus Luthers Idealen einer Geselleschaft heraus. Dies alles wird anschaulich anhand von Karten und zahlreichen Erklärtafeln erläutert.

Nicht zu vergessen: Der digitale Luther-Comic-Band namens „Ein Mönch verändert die Welt“, neben einer analogen Lutherbibel, will auf einem interaktiven Monitor„durchblättert“ werden.

 

 

Bevor Luthers Lehren Fuß fassten

Birgit Gargitter, NRZ 28.09.2017

500 Jahre Reformation, auch am Niederrhein fassten Luthers Lehren Fuß, bildeten sich lutherische und reformierte Gemeinden. Doch auch vorher habe es Reformbestrebungen in der Kirche gegeben, erklärt Dr. Ludger Horstkötter, Prämonstratenser der Abtei Hamborn, in seinem stadthistorischen Vortrag „Kirchliche Reformversuche im Land Dinslaken 1467 - 1517“. Die allerdings seien mal mehr mal weniger gut gelungen. Dennoch seien es gerade diese 50 Jahre vor Luther gewesen, die einen gewaltigen Einschnitt in alle Bereiche des menschlichen Lebens bewirkten. Die wichtigsten waren wohl die Erfindung des Buchdruckes, die Seefahrten nach Indien, die Entdeckung Amerikas, die Rückbesinnung auf die Antike und die Wiederbelebung der römischen und griechischen Kultur, so der Ordenshistoriker.

500 Jahre Reformation, auch am Niederrhein fassten Luthers Lehren Fuß, bildeten sich lutherische und reformierte Gemeinden. Doch auch vorher habe es Reformbestrebungen in der Kirche gegeben, erklärt Dr. Ludger Horstkötter, Prämonstratenser der Abtei Hamborn, in seinem stadthistorischen Vortrag „Kirchliche Reformversuche im Land Dinslaken 1467 - 1517“. Die allerdings seien mal mehr mal weniger gut gelungen. Dennoch seien es gerade diese 50 Jahre vor Luther gewesen, die einen gewaltigen Einschnitt in alle Bereiche des menschlichen Lebens bewirkten. Die wichtigsten waren wohl die Erfindung des Buchdruckes, die Seefahrten nach Indien, die Entdeckung Amerikas, die Rückbesinnung auf die Antike und die Wiederbelebung der römischen und griechischen Kultur, so der Ordenshistoriker.

Um die Reformation Luthers verstehen zu können, müsse man eintauchen in das Leben der damaligen Zeit, vor allem das der einfachen Leute, so Horstkötter. „Während die Großbauern wie auch die Adeligen in Saus und Braus lebten, während der Kleinbauer auf seinem Kotten ein eher armseliges Leben führte.“ Trotz allem, so Horstkötter, religiös war ein jeder. Auch dem Brauchtum mit seinen heidnischen Zügen frönten sie. „Satansglaube und Hexenwahn gehörten damals dazu“, berichtet der Ordenshistoriker. Das sei zu Luthers Zeiten nicht anders gewesen.

 



Und die Geistlichen jener Zeit? Nun, da gab es beispielsweise um 1500 einen Pfarrer von St. Vincentius, Simon von der Lippe genannt. Der ward hier nur nie gesehen, überließ die Seelsorge einem Vikar. Nur die Einkünfte, die strich sich Simon von der Lippe ein. Im Land Dinslaken ernannten der Herzog von Kleve sowie die Herren von Steinfurt (Nachfahren der Herren von Götterswick) den Pfarrer. Viel verlangt hätten sie nicht von ihm, lediglich gebildet musste er sein, so der Ordenshistoriker.

Zudem habe es im Land Dinslaken drei Frauen- und zwei Männerklöster gegeben. Vor allem hier sollten Reformen durchgeführt werden, denn in den Klöstern frönte man „einem wilden Leben“, war dem Klever Herzog zu Ohren gekommen. Vom Kloster Marienkamp und dem Kloster Marienacker weiß man nicht viel aus jener Zeit, das Sterkrader Frauenkloster wollte sich jedoch den Reformen beugen. Allein, der Wille hielt nicht lang, und bei den Johanniter-Ordensbrüdern von Alt-Walsum gab es nur noch zwei – welche Reformen sollten da wirken.

Auch von der Abtei Hamborn wusste Pater Ludger so einiges zu berichten. Zehn Mitglieder verzeichnete das Kloster in der vorreformierten Zeit, meist Adelssprösslinge. „Wir haben gehört, dass gerade im Kloster Hamborn ein wildes Leben geführt wird, so dass auch Ihr reformiert werden sollt, damit wieder Ordnung und Tugend eingestellt wird“, heißt es in einem Schreiben des Herzogs von Kleve an den Abt von Hamborn. Dessen Antwort: Er und seine Brüder würden nur zu gern nach den Statuten der Ordensregeln leben.

Zwei von ihnen unterschrieben sofort, andere wollten sie erst einmal ein paar Jahre testen und dann entscheiden, andere wiederum wollten auswärts leben und dort die Statuten studieren. Man kann sich denken, dass auch hier die Reformen auf der Strecke blieben – bis, nun bis eben Luther seine Thesen an die Wittenberger Kirche schlug. „Von den 95 Thesen können wir Katholiken übrigens 90 unterschreiben“, bemerkt Dr. Ludger Horstkötter noch. Lediglich vier, fünf Thesen seien nicht mit der katholischen Lehre vereinbar.

LUTHERANER UND REFORMIERTE

200 Jahre Union werden am Sonntag in Dinslaken gefeiert

Birgit Gargitter, NRZ 02.11.2017

 

Die Unionsmünze von 1817 ist derzeit im Museum Voswinckelshof ausgestellt. Diese Seite zeigt die Profildarstellungen von Luther und Calvin. Foto: privat

1817 vereinigten sich die lutherische und reformierte Gemeinde zur Ev. Kirchengemeinde Dinslaken. Bittschreiben von König Friedrich Wilhelm III.

Mit dem 31. Oktober endete zwar das Lutherjahr, doch gerade im Rheinland und auch in Dinslaken gehen die Feiern der Reformation noch einige Tage weiter. Nun gilt es nämlich, die Union zu begehen, die Vereinigung der lutherischen und reformierten Gemeinden zu einer einzigen. Am 2. November 1817, 300 Jahre nach Luthers Thesenanschlag, unterzeichneten nach einem Aufruf von König Friedrich Wilhelm III., alle Konfessionen gleich zu behandeln, 73 lutherische und 45 reformierte Hausväter in der Dinslakener Stadtkirche die Unionsurkunde. Sie ist heute noch erhalten und derzeit im Museum Voswinckelshof zu sehen.

„Im Archiv“, erzählt Pfarrer i.R. Sepp Aschenbach, „finden wir eine Aufzeichnung darüber. Die hiesigen protestantischen Pfarrer Nebe und Engels, die von der Aufforderung des Königs gelesen hatten, hielten es für ihre Pflicht, diese in der Gemeinde bekannt zu machen. Beide Konsistorien beschlossen daraufhin, die Feier zum 300. Luther-Gedenktag gemeinsam in der reformierten Kirche zu feiern.“ Die Feierlichkeiten zur Union beider Gemeinden dauerten drei Tage, vom 31. Oktober bis zum 2. November, an dem eben die Unionsurkunde unterschrieben wurde. Auch in den anderen Gemeinden des Kirchenkreises kam es zur Union und so wurde die Rheinische Kirche nach und nach eine Kirche der Union. „In unserem Kirchenkreis sind alle Gemeinden uniert“, sagt Sepp Aschenbach. Jahrhunderte des Streites waren damit beigelegt.

 

Glaubensrichtung fasste nach und nach Fuß

Was war vorausgegangen: Nach Luthers Thesenanschlag 1517 und der späteren Abspaltung von der katholischen Kirche schlossen sich viele Christen der evangelischen Lehre an. Auch im Rheinland und im Landkreis Dinslaken. Dank der Klever Toleranz konnte die neue Glaubensrichtung nach und nach Fuß fassen. Doch Mitte der 1540er Jahre nahm die Reformation in der Region eine andere Richtung.

In den spanischen Niederlanden ging die Obrigkeit hart gegen die „Ketzer“, den Calvinismus, vor. 1544 kommen die ersten Glaubensflüchtlinge nach Wesel. Sie bezeichnen sich selber als Geusen, sind aktiv und besser organisiert als die lutherischen Gemeinden. Im Laufe der Zeit gewinnen die Reformierten immer mehr die Oberhand. Wesel ist Ende der 1560 reformiert. Lutheraner und Katholiken sind in der Minderheit. Von Wesel aus dringen die Reformierten ins Land Dinslaken, neben den lutherischen bilden sich kleine reformierte Gemeinden. 200 Jahre lang leben Lutheraner und Reformierte erst gegeneinander, dann miteinander. 100 Jahre davon sind sie sich spinnefeind. Man bekämpft sich mit Kontroverspredigten, schreckt vor persönlichen Verunglimpfungen nicht zurück.

Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg, durch Aufklärung und Pietismus weichen die harten Fronten auf, erzählt Aschenbach. „Ende des 18. Jahrhunderts ist es so weit, dass lutherische Abgeordnete reformierte Synoden besuchen und umgekehrt. Die Einrichtung von Synoden in den lutherischen Gemeinden nach reformiertem Vorbild wird zum Schritt in Richtung auf parallele Strukturen.“ Und die führen letztendlich zur Union.

Nicht nur in der evangelischen Kirche kam es zur Union, in den vergangenen 60 Jahren hat sich auch das Verhältnis zu den Katholiken zum Positiven gewandelt. Daher will die Ev. Kirchengemeinde Dinslaken in einem zentralen Gedenkgottesdienst am Sonntag, 5. November, um 10.45 Uhr in der Stadtkirche an das für die Kirchengemeinde und die Stadt bedeutsame Ereignis, die Union der lutherischen und reformierten Gemeinde vor 200 Jahren zur Evangelischen Kirchengemeinde Dinslaken, erinnern.