Presseberichte - Nostalgie-Kirmes 2011
 

   
   
Zeitreise durch die Altstadt
Die Nostalgiekirmes mit historischen Fahrgeschäften findet in Dinslaken immer am vorletzten Wochenende im August statt. Bei der nostalgischen Zeitreise in Kostümen des 19. Jahrhunderts sollen möglichst viele Besucher mitmachen.
Das große Vorbild der Dinslakener Nostalgiekirmes ist die niederländische Stadt Deventer. Dort findet an jedem letzten Adventswochenende ein Charles-Dickens-Festival statt, an dem sich zu Ehren des englischen Schriftstellers die komplette Altstadt beteiligt. Wohnungen werden leer geräumt und zu Cafés umgearbeitet, Straßen gesperrt, die kleinen Geschäfte ganz auf Dickens umgestaltet. In den Fenstern der Wohnhäuser sitzen alte Leute, winken in den Trachten der damaligen Zeit den Besuchern zu und genießen ihren Kaffee oder Tee. Anzutreffen sind neben den bekannten Dickens-Romanfiguren auch ganz normale Leute der damaligen Zeit wie Handwerker, Bierkutscher, Sträflinge oder Straßenkehrer. Sogar eine Queen Victoria wird in einer Sänfte durch die Straßen der Altstadt getragen.
Probelauf im vergangenen Jahr
Beate Hettmer und Birgit Gargitter besuchten das Fest im Jahr 2008 und beschlossen voller Begeisterung auf der Rückfahrt, dieses Spiel in ähnlicher Form in Dinslaken aufzuziehen. „Das Dickens-Festival hat vor 20 Jahren auch nur mit 20 Leuten angefangen und heute machen rund 900 mit", erzählt Gargitter, die in Ulrich Tekathen, Cordula Hamelmann, . Gisela Marzin, Ruth Wendt, Erich Weichert, Egbert Gessmann, Wolfgang Krüsmann und Hans-Jürgen Rissel schnell einige Mitstreiter fand. Seither steigt auch die Zahl der Teilnehmer in Dinslaken kontinuierlich an und ein erster Probelauf auf der Nostalgiekirmes im vergangenen Jahr war bereits ein voller Erfolg. Nun folgt bei der kommenden Nostalgiekirmes die zweite Auflage - in der Hoffnung, noch mehr Teilnehmer zu gewinnen. „Die Altstadt lebt, und das wollen wir wieder einmal unter Beweis stellen. Wenn man den Stadtteil beleben will, braucht man viele Leute, die sich einbringen und vielleicht auch bereit sind, sich zu verkleiden", hofft der Vorsitzende der IG Altstadt, Tekathen, auf viele Gäste, die in der Kleidung des 19. Jahrhunderts über den Altmarkt spazieren werden: „Und wir laden natürlich alle Geschäftsleute dazu ein, sie sich mit kleinen Details in ihren Schaufenstern zu beteiligen. Dann sehen auch die Besucher von außerhalb, dass hier alle an einem Strang ziehen - und vielleicht kommen sie deshalb noch einmal wieder. Dann wären wir in der Altstadt wieder ein Stückchen weiter."
Historische Centoscooter
Neben der nostalgischen Zeitreise mit historischen Figuren Dinslakens biete die Kirmes und das Museum Voswinckelshof wieder ein buntes Programm an. Tekathen bezeichnet die historischen Autoscooter als „absoluten Hammer", eine Ausstellung alter Fahrräder, selbst erzeugte Produkte der Landfrauen Hiesfeld und ein großes Treckertreffen sind genauso wie das Bewährte der vergangenen Jahre wie Kettenkarussell, Raupe oder Wahrsagerin zu besuchen. ,;Ich denke, dass wir Besonderheiten zeigen und die Dinslakener Bürger sehen werden, dass es in der Altstadt vieles Gutes gibt", sagt Tekathen.
VON HENDRIK GAASTERLAND, RP 21.07.2011

 

  

Im vergangenen Jahr eröffnete Bürgermeister Dr. Michael Heidinger mit einer Karussellfahrt,
umrahmt von historischen Gestalten, die Nostalgiekirmes.
Für dieses Jahr erhoffen sich die Organisatoren, dass die Zahl derjenigen,
 die sich kostümieren, steigt. RP-ARCHIVFOTO: MARTIN BÜTTNER

Planung
Freitag, 19. August Eröffnung der Nostalgiekirmes um 14 Uhr durch Bürgermeister Michael Heidinger. Ihn begleiten Darsteller in historischen Kostümen.
Sonntag, 21. August Nach einem Gottesdienst um 10.30 Uhr beginnt das Programm in der Altstadt und im Museum Voswinckelshof, das zum Tag der offenen Tür einlädt. Historische Figuren wie Betty Tendering, Karl Lilienthal, Valerie Voswinckel, Margarete Böing oder Lebemann Ernesto mischen sich auf dem Altmarkt unter das Volk.

 

 

 

 

Eine Reise durchs 19. Jahrhundert

Ein Wochenende voller Nostalgie in Dinslakens Altstadt: Kirmes, historische Typen, Kostüme und mehr werden die Szenerie bestimmen. Eröffnet wird die dazugehörige Nostalgiekirmes am Freitag, 19. August, 14 Uhr.

Wenn Karoline Wedding, eine Witwe von nunmehr 82 Lenzen, tiefgebeugt über ihren Waschzuber steht, Betty Tendering tiefsinnige Briefe an Georg Weerth schreibt, sich Margarete Böing mit dem distinguierten Bürgermeister von Buggenhagen beim Plausch köstlich amüsiert, dann ist das 19. Jahrhundert eingekehrt in die Altstadt. „Die Altstadt lebt, das stellen wir mit dieser Zeitreise und der Nostalgiekirmes unter Beweis“, erklärt IG-Altstadtchef Ulrich Tekathen.

Am 19. und 21. August werden während der Nostalgiekirmes (19. bis 22. 8.) wieder liebe alte Dinslakener Bekannte durch die Altstadt schweifen. Karl Lilienthal, der bekannte Fotograf aus der Jahrhundertwende, wird Fotos „schießen“, Valerie Isabella Degener, die letzte Voswinckel, wird Hof halten, ein Kiepenkerl halt machen in der Altstadt, ein Leierkastenmann seine Lieder in alter Weise spielen, der Magister Speculatius die Kinder mit seinen Kräutereien anlocken.

Sie alle werden nächste Woche anlässlich der Nostalgiekirmes versammelt sein:
 die „üblichen Dinslakener Bekannten“ mit Bürgermeister Michael Heidinger.
Foto: Heinz Kunkel

Museumsschätze- Foto: Heiko Kempken
 

Idee aus den Niederlanden mitgebracht

Madame Eliese schaut in die Zukunft und der flotte Hans geht wieder mal auf Brautschau. Lebemann Ernesto, das schwarze Schaf der Familie Tekathen, ist eigens zur Nostalgiekirmes aus Südamerika zurückgekehrt. Ist er scharf aufs Erbe? Seinen Anteil hat er nämlich längst durchgebracht.

Angefangen hat diese Zeitreise im niederländischen Deventer. Dort findet an jedem vierten Adventswochenende das Charles-Dickens-Festival statt. Scrooge, die kleine Nell, David Copperfield und viele mehr erwachen für zwei Tage zum Leben. Rund 900 Akteure beteiligen sich dort am Spiel, angefangen haben sie mit 19 Mitspielern. Birgit Gargitter und Beate Hettmer hatten sich das Spektakel angeschaut und die Idee mit nach Dinslaken gebracht. In Cordula Hamelmann (Museum Voswinckelshof), Gisela Marzin (Stadtarchiv), Ulrich Tekathen, Erich Weichert und Wolfgang Krüssmann wurden schnell Mitstreiter gefunden, die Nostalgiekirmes als geeigneter Zeitpunkt auserkoren. Bereits im 2010 startete das Spektakel; es kam bei den Besuchern bestens an.

In diesem Jahr ist die Zeitreise ein wenig angewachsen. „Wir hoffen auf Beteiligung der Besucher und Vereine, die in historischen Kostümen den Marktplatz stürmen“, so Tekathen. Die besten Kostüme sollen übrigens prämiert werden, doch bitte an die Zeit des 19. Jahrhunderts halten! Zwar werden „Anjas Kids on Ice“ in Barockkostümen als fahrende Schaustellertruppe kommen, und auch einzelne Kirmeskarussells stammen nicht so ganz aus der Epoche, doch auf das Gesamtflair kommt’s an, so die Organisatoren.

Das Museum Voswinckelshof mit seiner Ausstellung „Museumsschätze“ wird einbezogen in die Zeitreise. Hier sind die 1950-er Jahre anzuschauen. Das nicht nur im (eintrittsfreien) sondern auch rund ums Museum.

Historische Traktoren und Hiesfelder Landfrauen

Am Sonntag, 21. August, werden dort gegen 12.30 Uhr die Motoren dröhnen, wenn die historischen Trecker der Oberlohberger Aufstellung auf dem Gelände vor dem Museum nehmen. Das Bild runden die Hiesfelder Landfrauen ab, die über ihre Arbeit im Laufe der Jahrhunderte berichten und ihre Erzeugnisse feilbieten. Die alte historische Backstube ist angeheizt. Und auch alte Zweiräder finden ihr Heim für einen Tag am Museum.

Eröffnet wird die dazugehörige Nostalgiekirmes am Freitag, 19. August, 14 Uhr, durch Bürgermeister Michael Heidinger. Er wird in einer alten Kutsche auf den Altmarkt fahren, begleitet von einem seiner Vorgänger, dem Bürgermeister von Buggenhagen, Margarete Böing, Valerie Voswinckel, der Nonne Maria Gloriosa, dem Kiepenkerl, Ernesto und all den anderen liebevoll zurecht gemachten Figuren. Holzriesenrad, Raupe, Pferdekarussell werden wieder nostalgische Gefühle aufleben lassen. Highlight in diesem Jahr ist „Müllers Autoscooter“, eine der letzten auf Holzbasis gebauten und in liebevoller Kleinarbeit restaurierten Buden. Leider hat der TÜV dem Besitzer einen Strich durch die Rechnung gemacht. Fahren dürfen die alten Autos nicht, zugelassen sind nur die Scooter aus dem Jahr 1972. „Doch das tut der Historie des großen Kirmeskarussells keinen Abbruch“, verspricht Tekathen, „allein die Schaubude ist ein Blickfang.“

Am Sonntag dann steigt zusätzlich die Zeitreise mit der freiwilligen Feuerwehr Eppinghoven und ihrer Wasserpumpe von 1883 nach dem ökumenischen Gottesdienst (10.30 Uhr) und all den historischen Gestalten. Kinder, die zum Gelingen beitragen wollen und vielleicht Blockflöte spielen, sind herzlich willkommen. Sie dürfen auch ruhig einen Zylinder aufstellen und sich ein wenig Taschengeld verdienen. In alte „Klamotten“ geschmissen, das Gesicht ein wenig „verdreckt“ und schon sind die armen Musikanten fertig.

Birgit Gargitter; NRZ 12.08.2011

"Damals war die bessere Zeit"

 Mit alten Geschichten und Erlebnissen verzauberten historische Figuren die Besucher der Nostalgiekirmes am Dinslakener Altmarkt.

Aufrecht und mit Bedacht geht Betty Tendering über den Altmarktplatz in Dinslaken, der mit alten Kirmesbuden und Fahrgeschäften nostalgisches Ambiente bietet. Von Kopf bis Fuß trägt sie schwarz. Die Bluse ist bis zum Hals zugeknöpft, der Rock fällt ihr bis über die Knöchel und ihr schwarzes Haar ist zu einem Knoten zusammengebunden. "Das Leben ist so hektisch. Ich habe große Schwierigkeiten, Schritt zu halten und den Menschen in ihrer Entwicklung zu folgen", sagt Ingrid Hassmann von der Frauengeschichtswerkstadt in Voerde in ihrer Rolle als Betty Tendering.

Dinslakens stellvertretender Bürgermeister Thomas Groß und Persönlichkeiten
aus der Geschichte, die mit passender Kleidung für nostalgischen Glanz sorgen,
eröffnen die Nostalgiekirmes auf dem Altmarkt. Besuchern erzählen sie,
wie sich Land und Leute für sie verändert haben. Foto: Martin Büttner

"Zum Glück sind einige schöne, historische Bauten in der Altstadt noch erhalten geblieben. Jedoch bin ich verwundert über so viele moderne Gebäude, die mir völlig fremd sind", erzählt sie. "Damals war ich vermehrt mit der Kutsche unterwegs und unternahm viele Reisen nach Rom und Berlin", erinnert sich Betty Tendering, die in Götterswickerhamm auf Haus Ahr von 1831 bis 1902 lebte. Heute sei alles anders. Es herrsche viel Verkehr und Hektik. Allerdings sei das Leben in Dinslaken damals wesentlich härter gewesen. "Ich hatte keinen Komfort und keinen Luxus. Mir fehlten materielle Dinge, die ich heute zur Verfügung gehabt hätte und schätzen würde. In der heutigen Zeit würde mir aber die Herzlichkeit, die Verbundenheit und die Nähe zwischen den Menschen fehlen. Heute scheint die Gesellschaft zwar immer noch freundlich und offen. Doch die Menschen sind unpersönlich und ungemütlich."

 
Info Tipps für Besucher

Die Nostalgiekirmes auf dem Dinslakener Altmarkt ist noch bis Montag geöffnet.

Im Rahmenprogramm zum Jahrmarkt können Besucher am Sonntag am Museum Voswinckelshof eine Ausstellung historischer Fahrräder und ein Treffen von Liebhabern alter Traktoren besuchen. Im Museum selbst ist zurzeit die Ausstellung "Museumsschätzchen" zu sehen.

Neben Betty Tendering versammeln sich auch andere historische Persönlichkeiten aus Dinslaken und Umgebung auf dem Altmarkt, wo sie sich im Rahmen der Kirmes präsentieren. Neugierige Blicke sind programmiert – kein Wunder, denn auch Schwester Maria Gloriosa ist nicht in Zivil unterwegs, sondern mit einer schwarzen Tunica und einem ,Velan', einem schwarzen Schleier, bekleidet. "Dinslaken ist lebendiger, lockerer und freier geworden", erzählt Schwester Maria, hinter der sich Ruth Wendt verbirgt. "Hier und jetzt komme ich mir verwandelt vor, denn diese Zeit ist geprägt von der Lockerheit aber auch von der Hektik der Menschen", schildert sie. Allerdings sei die freizügige Art der Kleidung, wie sie heute getragen werde, ungeheuerlich. "Ich als Schwester Maria Gloriosa hätte nicht gerne im 21. Jahrhundert gelebt. Heute arbeiten die Menschen nicht mehr um Gottes Willen, sondern alles muss bezahlt werden. Früher war man zufrieden, wenn man anderen Menschen helfen konnte", erklärt die Nonne.

Stolz über die Bürger und das Geschehen blickend, steht Melchior Julius von Buggenhagen auf seinen schwarzen Gehstock gelehnt. "Damals war es hier noch ländlich, bürgerlich, und die Kinder waren auch noch gut erzogen", erzählt Eduard Sachtje, der den ehemaligen Dinslakener Bürgermeister repräsentiert. "Damals war die bessere Zeit. Nicht nur wegen der Gelassenheit der Bürger, sondern weil ich damals noch jemand war. Vermisst habe ich damals eine Kanalisation und etwas Sauberkeit. Zu meiner Zeit wurde der ganze Dreck einfach in den Rotbach oder auf die Straße gekippt. Da konnte man nicht einfach mit guten Schuhen über die Neustraße spazieren."

Die Museumspädagogin des Voswinckelshofs, Cordula Hamelmann, setzt sich geschickt als Valerie Isabella Degener, verheiratete Voswinckel, in Szene und erzählt Besuchern der Kirmes von der Offenheit und dem Traditionsbewusstsein der Menschen, die zu ihrer Zeit zwischen 1870 und 1946 lebten. "Ich hätte mir neben einer besseren Ausstattung für das Badezimmer und einer größeren Vielfalt an Lebensmitteln auch schnellere Verkehrswege gewünscht", sagt sie. "Aber wohin sind eigentlich all die Dienstmädchen und das Küchenpersonal verschwunden. Darauf könnte ich heute auf keinen Fall verzichten."

JULIA SCHROER, RP 20.08.2011
 

Nostalgie zwischen Holzpfosten

Die Nostalgiekirmes auf dem Altmarkt lockte viele Besucher an. Eine der besonderen Attraktionen auf dem Platz: Der Holzpfosten-Autoscooter von Richard Müller.

Die Sonne scheint. Ein leichter Wind weht über den Altmarkt und bewegt die Luft. Diese ist durchsetzt von Kirmesgerüchen: auf dem Holzkohlegrill brutzeln Würstchen, es duftet nach Popkorn. Blinkende Lichter ziehen die Blicke der Besucher auf sich. Von überall erklingen bekannte Melodien. Schlager, Rock'n'Roll und Popmusik begleiten die Besucher auf ihrem Weg über die kleine Kirmes. Dabei bleiben einige Blicke am Holzpfosten-Scooter von Richard Müller hängen. Wo auf dem Überbau moderner Fahrgeschäfte Metall und Kunststoff glänzen, findet sich hier bemaltes Holz. Aus den Lautsprechern über der Fahrbahn dröhnt keine laute Musik aus den Charts. Stattdessen erklingen hier Lieder aus den 50er, 60er und 70er Jahren. "Wir spielen sogar noch Schallplatten ab", erklärt Richard Müller, der Besitzer des "Selbstfahrers", wie es auf einem großen Plakat am Autoscooter zu lesen ist.

Nostalgie pur: Der Essener Schausteller Richard Müller ist ganz verliebt
in seinen Holzpfostenscooter. Er hat das aus den 50er Jahren stammende
Fahrgeschäft ein Jahr lang restauriert. Foto: Martin Büttner

Info Nostalgiekirmes

Attraktionen Neben Autoscooter, Riesenrad und Raupe finden sich auf der Nostalgiekirmes auch Kasperletheater, Kinderkarussell und verschiedene Stände zur Verpflegung.

Stilecht Auch die Schausteller geben sich nostalgisch und haben Kostüme aus vergangenen Jahrzehnten angelegt.

Veranstalter Seit neun Jahren organisiert die Interessengemeinschaft Altstadt Dinslaken die nostalgische Kirmes auf dem Altmarkt.

www.altstadt-dinslaken.de

 


Ein Kindheitstraum

2009 hatte Müller den Holzpfosten-Autoscooter im Emstal gefunden. "Der war komplett zugewachsen, aber ich wollte ihn wieder zu neuem Leben erwecken", sagt der Schausteller. Für ihn war das ein Kindheitstraum. 1973 hatten seine Eltern einen Holzpfosten-Autoscooter verkauft. "Das habe ich nie verstanden. Aber damals war ich erst neun Jahre alt und konnte das mit meinem Vater auch nicht diskutieren", erklärt Richard Müller. Ein Jahr lang renovierte er das Fahrgeschäft, das um 1950 gebaut wurde. Er stattete es mit Automodellen der Firma Ihle in Bruchsaal aus den Jahren 1962 bis 1978 aus. Seit genau einem Jahr ist er mit seinem Nostalgie-Scooter unterwegs. "Ich glaube, ich bin der Einzige, der so einen Holzpfosten-Selbstfahrer betreibt. Mir ist wichtig, dass solche älteren Attraktionen auch noch gezeigt werden. Meine Familie ist seit 200 Jahren im Schausteller-Geschäft, die Geschichte bedeutet mir etwas", erzählt Richard Müller.

Früher war der Autoscooter auf der Kirmes für Jugendliche die Kontaktbörse schlechthin. Flirten und Scooterfahren – das gehörte zusammen. Heute besitzt fast jeder ein Auto, und so finden sich auf dem Selbstfahrer vor allem Väter und Mütter, die mit ihren Kindern eine Runde drehen oder Großväter, die mit ihren Enkeln am Steuer die Fahrbahn unsicher machen. Gelegentliche Kollisionen sind dabei kein Problem. Doch auch von außen ist das Gefährt interessant. "Wir haben gerade sicher 30 Minuten vor dem Autoscooter gesessen und einfach geschaut", sagt Daniela Weß, die mit ihren Kindern Feli (6) und Janni (3) unterwegs ist. Ihr gefällt die besondere Atmosphäre auf dem Altmarkt. "Es ist einfach schön hier. Die Kirmes ist klein gehalten aber trotzdem gibt für die Kinder viel zu sehen", sagt Daniela Weß. Ihre beiden Kinder hatten vor allem beim Kasperletheater Spaß. "Und auf der Raupe", sagt Feli.

Staunen und Lachen: Beim Kasperletheater gab es vor allem für die
kleinen Besucher etwas zu sehen. Foto: Achim Hüskes

Viele Attraktionen

Auch auf der Raupe wird Rock'n'Roll gespielt. Hier tummeln sich ebenfalls zahlreiche Besucher, wenn sie nicht gerade auf dem Marktplatz unter dem Riesenrad Kirmesflair genießen oder beim Hau-den-Lukas kraftvoll die Muskeln trainieren. Die kleinen Besucher versuchen auch gerne ihr Glück beim Entenangeln, während sich die Erwachsenen am Getränkestand Ruhe gönnen und vielleicht an ihre eigene Kindheit zurückdenken.

FLORIAN LANGHOFF, RP 22.08.2011
 

Nostalgiekirmes:

Früher drehte es sich schneller

Alles Hokuspokus. Gerade noch verblüffte Magister Speculatius den kleinen Brandon damit, Holzstücke wachsen zu lassen. Nun soll der Achtjährige selbst größer werden. Tapfer schluckt er den grünen Trank – keine Wirkung. „Warte ab“, tröstet der Jahrmarktszauberer, „bis zur nächsten Nostalgiekirmes bist du gewachsen!“.

Echte Magie durfte man auf der Nostalgiekirmes der IG Altstadt am Wochenende nicht erwarten. Doch gab es viel, von dem man sich wirklich verzaubern lassen konnte.

Zeitreise rückwärts. Auf dem Altmarkt dreht sich das Riesenrad von Werner Feldmann. 1902 gebaut, das Rad wurde in den 30-er Jahren erneuert, die Gondeln in den 50ern. In 13 Metern Höhe erlebt man die Altstadt von oben. Schnell dreht sich das Rad. „Früher drehte es sich schneller“.

Von wegen, früher war alles beschaulicher. Die Nostalgiekirmes räumt mit falscher Nostalgie auf.Der 2010 restaurierte Autoscooter erinnert an die wilden Fünfziger, die Raupe galt einst mit ihren schließenden Verdecken als moralisch bedenklich. Auch Schmetterlinge im Bauch sind eine Form von Nervenkitzel, dafür braucht es keine Loopings auf der Achterbahn.

Kasperltheater und Entenangeln. Zwischen den Familien aus dem hier und jetzt, die über die Kirmes schlendern, fallen Damen und Herren in großen Hüten und Zylindern auf, in Kleidung, die den endlich heißen Sommertemperaturen gar nicht angemessen erscheinen. Zeitreise vorwärts. Hier lustwandeln Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts aus Dinslaken und Umgebung. Man trifft Bürgermeister Buggenhagen, Betty Tendering oder Valerie Voswinckel.

Nostalgiekirmes und Zeitreise in Dinslaken mit Treckerparade und historischen Fahrrädern
am Museum Voswinckelshof. Foto: Jochen Emde
 



Die Idee, das historische Flair auch durch Mitwirkende in aufwendigen Kostümen auf die Straße zu bringen, griffen Birgit Gargitter und Beate Hettmer in der niederländischen Hansestadt Deventer auf. In Dinslaken führt ihr Weg von der Kirmes zum Voswinckelshof.

Nein, das Museum wird noch nicht saniert. Was da tuckert und brummt, sind die Exponate der Ausstellung, die die Nostalgiekirmes auf dem Altmarkt begleitet. Auf der Museumswiese fuhren Sonntag historische Traktoren aus Dinslaken und Umgebung vor. Liebevoll restauriert und straßentauglich.

Baujahr 1951, 1330 Kubik, 15 PS, luftgekühlt, 1 PS. „Was für ein Klang“, schwärmt Reiner Suchomel von seinem Deutz F1L 514/150. Ein trockener Name für den pummeligen grünen Traktor, der besonders bei Rheinländern beliebt war. „Knübbelchen“ nannten sie ihn und so nennt ihn auch sein Düsseldorfer Besitzer. Köln und Düsseldorf: passt das? „Klar, ich habe ja auch einen Bayern und einen Schweizer“. Reiner Suchomel und seine Frau Britta sammeln seit vier Jahren Traktoren. Mit verständlichem Stolz zeigt der Kaufmann einen Kalender von 2010. Sein Eicher Diesel von 1958 hat es auf das Titelblatt gebracht. Vor dem Voswinckelshof steht das Prunkstück neben Suchomels Hürlimann Bulldog von 1963.

Es geht auch größer. Jürgen Dahlmann vom Porsche Diesel Club hat seinen 319 Super L mitgebracht, ein imposantes Gefährt im typischen Rot.

Oder kleiner. Harold Bechingberg hat sein Nürnberger Triumph-Sachs Kleinkraftrad neben die Fahrradsammlung des Museums gestellt. Baujahr 1940, 2,25 PS. „Das Fahrgefühl ist erbärmlich“, gesteht Bechlingberg, der bis zum 69. Lebensjahr historische Motorradrennen fuhr, „aber die Entdeckung der Langsamkeit macht mir Spaß“.

Motorfahrrad oder Traktor: Diese Frage stellte sich für Ingrid Hassmann am Sonntag nicht. Sie ist in bodenlangen engem Rock und schwarzer Perücke in die Rolle der Betty Tendering geschlüpft – die Literatin auf den Spuren der Autorenfreundin.

Cordula Hamelmann nimmt ihre Rolle besonders stilecht. Sie trägt nicht nur einen Federhut á la Valerie Voswinckel, sondern auch ein echtes Korsett unterm züchtig hochgeschlossenen Kleid. „Immer die Haltung bewahren“, heißt es jetzt wie einst im bunten Treiben zwischen süßen Marmeladen und den Rübenkrautstullen der Hiesfelder Landfrauen und nostalgischen Bonbontüten.

Bettina Schack, NRZ 21.08.2011